Next Gen Interview: Aufsichtsrat statt Geschäfts­führung

Bei Rügenwalder bist du die siebte Generation an der Firmenspitze. Wie war Dein Weg dorthin?

DR. GUN­NAR RAUF­FUS: Mein Va­ter hat­te das Un­ter­neh­men über 30 Jah­re lang er­folg­reich als Fir­men­chef ge­führt. Ich habe mein Ju­ra­stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Frei­burg ab­sol­viert und an­schlie­ßend dort pro­mo­viert, in der be­ruf­li­chen Pra­xis führ­te mich mein Weg in eine in­ter­na­tio­na­le Groß­kanz­lei in Ham­burg. Die Tä­tig­keit als Ju­rist habe ich ger­ne ge­macht, hät­te das auch wei­ter be­trei­ben kön­nen –  ent­schied mich dann aber, ins Un­ter­neh­men zu ge­hen. Ich bin Ein­zel­kind. Mein Ent­schluss ver­lief zwi­schen der Ein­sicht ‚Ich möch­te Ver­ant­wor­tung für Fa­mi­lie und Un­ter­neh­men wahr­neh­men‘ und ‚Ich habe mei­ne ei­ge­nen Vor­stel­lun­gen da­von, in wel­cher Rol­le es mit mir wei­ter­ge­hen soll‘.

Die ope­ra­ti­ve Füh­rung des Un­ter­neh­mens ha­ben wir an lang­jäh­ri­ge be­währ­te Ma­na­ger aus den ei­ge­nen Rei­hen über­ge­ben.

Wie gelangtest du in deine heutige Position, die ja eine besondere ist?

Zu­nächst stieg ich als Mit­glied der er­wei­ter­ten Ge­schäfts­lei­tung ein, mein Va­ter wirk­te in die­ser Zeit wei­ter in sei­ner Funk­ti­on als ge­schäfts­füh­ren­der Ge­sell­schaf­ter. Ich war für Recht, Per­so­nal und über­ge­ord­ne­te Auf­ga­ben mit­ver­ant­wort­lich und war in die Ge­samt­füh­rung eng ein­ge­bun­den. Eine gute Ein­füh­rung, aber im Lauf der zwei Jah­re, die ich die­se Funk­ti­on hat­te, stell­te ich fest: Das ist nicht die rich­ti­ge Po­si­ti­on für mich!

Und dann?

Ich merk­te, dass die Ge­schäfts­füh­rung nicht der Platz ist, an dem ich das Bes­te für das Un­ter­neh­men leis­ten kann. Ich woll­te die Rü­gen­wal­der Müh­le hin­sicht­lich ih­rer künf­ti­gen Ent­wick­lung und Stra­te­gie viel lie­ber aus ei­ner ak­ti­ven Ei­gen­tü­mer-Po­si­ti­on her­aus steu­ern – und auf die­se Wei­se an der Lö­sung von Her­aus­for­de­run­gen mit­wir­ken. Ich habe als Ju­rist ge­lernt, ana­ly­tisch und struk­tu­riert an die The­men her­an­zu­ge­hen. Das hilft bei über­ge­ord­ne­ten Fra­gen, mit de­nen man als In­ha­ber re­gel­mä­ßig be­fasst ist. Aus die­sen Er­kennt­nis­sen ent­stand das Bild für mei­nen Weg, den ich dann ein­ge­schla­gen habe.

© Rügenwalder Mühle

Chapeau! Diese Einsichten zeugen von großer Klarheit und kluger Selbsteinschätzung.

Was hast du dar­aus ge­macht? Mir war klar, dass eine kon­struk­ti­ve In­ha­berrol­le in ei­nem Auf­sichts-gre­mi­um mei­ne Hei­mat im Un­ter­neh­men wer­den soll­te. So bin ich heu­te ak­ti­ves Mit­glied in un­se­rem Auf­sichts­rat. Mein Va­ter hat den Vor­sitz inne, ich den stell­ver­tre­ten­den Vor­sitz. Die­se Neue­rung ha­ben wir zum Jah­res­an­fang 2017 ein­ge­führt, da­mit ver­bun­den war ein Wech­sel mei­nes Va­ters von der Ge­schäfts­füh­rung in den Auf­sichts­rat. Die ope­ra­ti­ve Füh­rung des Un­ter­neh­mens ha­ben wir an lang­jäh­ri­ge be­währ­te Ma­na­ger aus den ei­ge­nen Rei­hen über­ge­ben, so dass hier so dass hier ein glei-ten­der Über­gang ohne Bruch mög­lich wur­de.

Die Rügenwalder Mühle firmiert als GmbH & Co. KG, dennoch habt ihr euer Aufsichtsgremium als „Aufsichtsrat“ positioniert. Welche Botschaft ist damit verknüpft?

Vor der Neu­kon­zep­ti­on un­se­res Auf­sichts­gre­mi­ums hat­ten wir ei­nen Bei­rat, in dem ich schon über vie­le Jah­re mit­wirk­te. Die­ser war als rein be­ra­ten­des Or­gan ver­fasst. Wir ha­ben jetzt ganz be­wusst in ei­nen Auf­sichts­rat um­fir­miert, um da­mit zu sym­bo­li­sie­ren: Die­ses Gre­mi­um ist neu. Es hat mehr Kom­pe­ten­zen – und es hat um­fas­sen­de Kon­troll­rech­te. Es ist als Wir­kungs­zen­trum des fa­mi­liä­ren Ein­flus­ses auf­ge­stellt, hier be­fin­det sich die Schnitt­stel­le zwi­schen der Ei­gen­tü­mer­fa­mi­lie und dem Ge­schäft – schließ­lich hat sich die Fa­mi­lie mit der Schaf­fung des Auf­sichts­rats ja aus der ope­ra­ti­ven Füh­rung zu­rück­ge­zo­gen. Für uns ist die­ses neue For­mat aber zu-gleich auch das Si­gnal, dass die Rü­gen­wal­der Müh­le auch zu­künf­tig als Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men wei­ter­ge­führt wird.

Um alle mög­lichst gut ein­zu­bin­den, ha­ben wir eine Fa­mi­li­en­ver­fas­sung for­mu­liert.

Du sprachst von deiner aktiven Rolle als Aufsichtsratsmitglied. Wie haben du und dein Vater das gestaltet?

Der Auf­sichts­rat führt vier Sit­zun­gen im Jahr durch; wir ha­ben vier Mit­glie­der aus der Fa­mi­lie so­wie drei wei­te­re ex­ter-ne Auf­sichts­rä­te. Die­se ha­ben wir aus der Bei­rats­funk­ti­on über­nom­men, so si­chern wir Kon­ti­nui­tät und Know-how. Mein Va-ter und ich sind als fa­mi­liä­re In­ha­ber auch über die Sit­zun­gen hin­aus im Un­ter­neh­men prä­sent. Wir ha­ben in der Fir­ma un­se­re Bü-ros, stim­men uns in wich­ti­gen The­men mit der Ge­schäfts­füh­rung ab. Vor al­lem mein Va­ter hat na­tür­lich tie­fe Kennt­nis­se über das Un­ter­neh­men, er stand drei Jahr­zehn­te an der Spit­ze des Ge­schäfts und will hier wei­ter Im­pul­se ein­brin­gen.

Wie haben dein Vater und du ihre Einflussbereiche aufgeteilt?

Es gibt kei­ne Auf­tei­lung. Wir be­ar­bei­ten be­wusst vie­le The­men ge­mein­sam, spre­chen ge­gen­über dem Un­ter­neh­men und den Sta­ke­hol­dern mit ei­ner Stim­me und ver­tre­ten ge­gen­über den Ge­schäfts­füh­rern eine ge­mein­sa­me Li­nie. Ich be­fas­se mich zu­dem mit Grund­fra­gen der Or­ga­ni­sa­ti­on, auch die neue Füh­rungs­struk­tur habe ich mit vor­an­ge­trie­ben. Über­dies küm­me­re ich mich im Rah­men der Auf­sichts­rats­ar­beit etwa um ein ver­bes­ser­tes Re­porting, die Vor­be­rei­tung der Sit­zun­gen so­wie den Kon­takt zu den ex­ter­nen Mit­glie­dern des Auf­sichts­rats.

© Rügenwalder Mühle

Was habt ihr dafür getan, um das Wirken deines Vaters in seine neue Rolle zu überführen? Aus Governance-Überlegungen ist es ja wichtig, dass hier eine saubere Abgrenzung erfolgt und sich nicht eine Art Neben-CEO etabliert.

Die­ses The­ma hat­ten wir klar vor Au­gen. Wich­tig war uns eine sym­bo­li­sche Hand­lung. Ganz be­wusst ist mein Va­ter aus sei­nem al­ten, gro­ßen Büro aus­ge­zo­gen. Das hat der neue Ge­schäfts­füh­rer über-nom­men; Chris­ti­an Rauf­fus hat jetzt ein deut­lich klei­ne­res Büro, ne­ben mei­nem ge­le­gen, am Ende des Gan­ges. Das ist ein wich­ti­ges Si­gnal ge­gen­über den Mit­ar­bei­tern. Mein Va­ter ist nicht mehr je-den Tag im Un­ter­neh­men, er kommt an fest­ge­leg­ten Ta­gen, und wenn ge­mein­sa­me The­men mit der Ge­schäfts­füh­rung be­ar­bei­tet wer­den, ver­ein­ba­ren wir da­für ei­nen Ter­min. Das ist un­ser Bei­trag für die Klar­heit der Go­ver­nan­ce …

… und gleich zur Governance auf der Ebene der Familie. Wie habt ihr das Verhältnis zwischen euch als aktiven Gesellschaftern und den nicht in der Führung des Unternehmens vertretenen Gesellschaftern geregelt?

Wir sind mitt­ler­wei­le neun Ge­sell­schaf­ter. Ne­ben den bei­den Schwes­tern mei­nes Va­ters sind in mei­ner Ge­ne­ra­ti­on fünf Cou­si­nen hin­zu­ge­kom­men. Sie ha­ben ihre Le­bens­mit­tel­punk­te weit ver­streut an ver­schie­de­nen Or­ten und sind nicht ak­tiv im Un­ter­neh­men tä­tig. Was uns alle aber eint: Wir sind stark an den Ge­schi­cken der Rü­gen­wal­der Müh­le in­ter­es­siert, wir wol­len das Un­ter­neh­men be­glei­ten und wis­sen, was vor sich geht. Um alle mög­lichst gut ein­zu­bin­den, ha­ben wir schon vor ei­ni­gen Jah­ren eine Fa­mi­li­en­ver­fas­sung for­mu­liert, die wir ge­ra­de auf den neu­es­ten Stand brin­gen.

Was sind wichtige Gestaltungselemente, mit denen ihr abgebildet habt, was ihr erreichen wolltet?

Wir woll­ten, dass In­for­ma­ti­on und Be­tei­li­gung der Ge­sell­schaf­ter in ei­nen an­ge­mes­se­nen Rah­men ge­fasst wer­den. Des­halb wol­len wir uns ne­ben den Ge­sell­schaf­ter-ver­samm­lun­gen auch in­for­mell als Fa­mi­lie tref­fen und in Kon­takt blei­ben. Und wir wol­len uns ein­mal im Jahr als Ge­sell­schaf­ter wei­ter­bil­den, ganz im Sin­ne von Pro­fes­sio­nal Ow­nership. Über­dies ha­ben wir eine Whats­app-Grup­pe ge­schaf­fen, eine gute Platt­form für den lau­fen­den, spon­ta­nen Aus­tausch zwi­schen mei­nen Cou­si­nen und mir. Bei der Ar­beit an der Fa­mi­li­en­ver­fas­sung ha­ben wir ge­merkt, wie wich­tig der Pro­zess ist. Der Aus­tausch über das Un­ter­neh­men ist ein ech­ter Mehr­wert, man kommt zu­sam­men und kann sich über The­men ver­stän­di­gen, die das Ver­hält­nis Un­ter­neh­men – Fa­mi­lie be­stim­men.

Wie ist Dein eigenes Verhältnis zum Unternehmen gereift?

Es hat mehr Klar­heit über mei­ne Rol­le ge­schaf­fen, auch über de­ren lang­fris­ti­ge Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten. Ge­hol­fen hat da­bei si­cher auch, dass ich seit ei­ni­ger Zeit Va­ter bin. Das schärft die Per­spek­ti­ve. Man denkt dann nicht nur an sich selbst und den Job, son­dern ent­wi­ckelt ei­nen ver­ant­wort­li­che­ren Blick für das Gan­ze.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 01/​2018.

Rügenwalder Mühle

Das Un­ter­neh­men wur­de vor 184 Jah­ren in Rü­gen­wal­de (Pom­mern) von Carl Mül­ler ge­grün­det. Heu­te be­fin­det es sich im Über­gang von der 6. auf die 7. In­ha­ber­ge­ne­ra­ti­on. Gro­ßes stra­te­gi­sches The­ma auf Un­ter­neh­mens­sei­te: von der Wurst aus Fleisch zur Wurst auf Veg­gie-Ba­sis. Seit 1946 ist das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men in Nie­der­sach­sen be­hei­ma­tet. Es er­wirt­schaf­tet heu­te mit 575 Mit­ar­bei­tern ei­nen Um­satz von 205 Mio. Euro. Chris­ti­an Rauf­fus, Fir­men­chef in der 6. Ge­ne­ra­ti­on, wech­sel­te An­fang 2017 in den Auf­sichts­rats­vor­sitz. Un­ser Ge­sprächs­part­ner Dr. Gun­nar Rauf­fus (38) ist stell­ver­tre­ten­der Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der.

NextGen: Dr. Gunnar Rauffus, 38 Jahre, 7. Generation
Unternehmen: Rügenwalder Mühle, 205 Mio. EUR Jahresumsatz, 575 Mitarbeiter
Position: stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender
Story: Von der Geschäftsführerrolle in die Aufsichtsratsrolle, Verantwortung übernehmen als aktiver Eigentümer