Next Gen Interview: Chief Digital Officer

Mitte 2016 bist du überraschend als Chief Digital Officer und Mitglied des Verwaltungsrats bei Viessmann eingestiegen. Wie kam es dazu?

MA­XI­MI­LI­AN VIESS­MANN: Ich war schon seit Mit­te 2015 an ver­schie­de­nen Di­gi­ta­li­sie­rungs­pro­jek­ten be­tei­ligt und Mit­glied im Di­gi­tal Stee­ring Com­mit­tee des Un­ter­neh­mens. Als mein Va­ter dann Mit­te 2016 von der ope­ra­ti­ven CEO- in die Ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­ten­rol­le wech­sel­te und un­ser da­ma­li­ger Chief Di­gi­tal Of­fi­cer den Vor­stands­vor­sitz über­nahm, bat man mich, die CDO-Po­si­ti­on in­te­ri­mis­tisch zu über­neh­men. Da ich in vie­le Pro­jek­te ak­tiv ein­ge­bun­den war, lag das nahe.

Es geht ja nicht um die Selbst­ver­wirk­li­chung ei­nes Ge­sell­schaf­ters, son­dern um die Ver­ant­wor­tung für die Mit­ar­bei­ter und ver­schie­de­nen Sta­ke­hol­der.

Das heißt, du hattest deinen Einstieg anders geplant?

Ja, es gab eine ge­mein­sam mit mei­ner Fa­mi­lie ent­wi­ckel­te Agen­da für mei­nen Ein­stieg, die si­cher­lich nicht vor­sah, dass ich schon mit Ende 20 eine Ver­wal­tungs­rats­po­si­ti­on in ei­nem 12.000-Mit­ar­bei­ter-Un­ter­neh­men über­neh­me. Es wa­ren noch ver­schie­de­ne ex­ter­ne Sta­tio­nen ge­plant. Es geht ja nicht um die Selbst­ver­wirk­li­chung ei­nes Ge­sell­schaf­ters, son­dern um die Ver­ant­wor­tung für die Mit­ar­bei­ter und ver­schie­de­nen Sta­ke­hol­der.

Was hat dich bewogen, von deinem Plan abzuweichen?

Ich hat­te bis da­hin vie­le ex­ter­ne Ak­ti­vi­tä­ten, wie bspw. un­ser Cor­po­ra­te-Ven­ture-En­ga­ge­ment, mit auf­ge­baut. Un­ser Un­ter­neh­men er­neu­ert sich ge­ra­de kon­se­quent. Viess­mann ist zwar eine Er­folgs­ge­schich­te. Aber uns ist klar, dass Heiz- und Kli­ma­tech­nik im di­gi­ta­len Zeit­al­ter an­ders funk­tio­nie­ren wird. Ver­ant­wor­tung für 12.000 Mit­ar­bei­ter be­deu­tet eben auch, nicht ein­fach so wei­ter­zu­ma­chen wie bis­her. Eine sol­che Ent­wick­lung kann man schlecht von der Sei­ten­li­nie steu­ern, sprich aus ei­nem Start-up her­aus be­treu­en. Das braucht auch C-Le­vel-Com­mit­ment. Der Pro­zess steht erst am An­fang und wird lang­fris­tig gro­ße Ver­än­de­run­gen mit sich brin­gen. Als Ge­sell­schaf­ter hat man hier eine zu­sätz­li­che Glaub­wür­dig­keit im Ver­gleich zu ex­ter­nen Ma­na­gern. Au­ßer­dem ma­chen mir die The­men gro­ßen Spaß! Ich habe tol­le Teams, mit de­nen ich zu­sam­men­ar­bei­te.

© Viessmann Werke

Wie sehen diese Teams aus?

Un­se­re di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on, die das ge­sam­te Un­ter­neh­men be­trifft, wird von ei­ner drei­stel­li­gen Zahl von Mit­ar­bei­tern in und au­ßer­halb von Viess­mann ko­or­di­niert. Wir neh­men das The­ma sehr ernst.

Wir ver­än­dern un­se­re Ar­beits­wei­se. Aber wir ko­pie­ren nicht ein­fach die di­gi­ta­le DNA ei­nes an­de­ren Un­ter­neh­mens.

Klingt nach einem Kulturwandel. Wie passen Start-up-Mentalität und traditioneller Heizungsbauer zusammen?

Ich glau­be, das wird oft miss­ver­stan­den. Es geht nicht dar­um, die Kul­tur ei­nes Start-ups nach­zu­ah­men. Wenn man ei­nen Mee­tin­g­raum mit bun­ten Sitz­sä­cken aus­stat­tet, wird man da­von nicht in­no­va­ti­ver. Es geht dar­um, die Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen, in de­nen man Hy­po­the­sen tes­ten kann. Wir ha­ben im klas­si­schen Ge­schäft Pro­dukt­le­bens­zy­klen von 3 bis 5 Jah­ren. Im di­gi­ta­len Kon­text dreht sich al­les schnel­ler. Da brau­chen wir an­de­re Me­tho­den, z. B. Scrum-Pro­zes­se. Wir kom­mu­ni­zie­ren trans­pa­rent. Wir ar­bei­ten mit Live-Streams. Die Mit­ar­bei­ter par­ti­zi­pie­ren stär­ker an den Ent­schei­dun­gen. Wir ver­än­dern un­se­re Ar­beits­wei­se. Aber wir ko­pie­ren nicht ein­fach die di­gi­ta­le DNA ei­nes an­de­ren Un­ter­neh­mens.

Was sind deine Aufgaben?

Es sind drei Be­rei­che. Wir ar­bei­ten an der Trans­for­ma­ti­on des Kern­ge­schäf­tes – Stich­wort Di­gi­ta­li­sie­rung. Zwei­tens bau­en wir sys­te­ma­tisch jun­ge Un­ter­neh­men mit neu­en Ge­schäfts­mo­del­len mit ei­ner Nähe zu un­se­rem Kern­ge­schäft auf. Und drit­tens prü­fen wir bran­chen­frem­de Ge­schäfts­mo­del­le – Stich­wort Di­ver­si­fi­zie­rung.

Welche Erfahrungen aus der Vergangenheit waren besonders wichtig, um dich auf diese Rolle vorzubereiten?

Ich habe im­mer schon eine Viel­zahl von un­ter­neh­me­ri­schen Ak­ti­vi­tä­ten be­glei­tet, in den un­ter­schied­lichs­ten Län­dern und Re­gio­nen. Gleich­zei­tig war mei­ne Er­fah­rung bei der Bos­ton Con­sul­ting Group wich­tig. Dort habe ich die Struk­tu­ren von gro­ßen Or­ga­ni­sa­tio­nen ken­nen­ge­lernt. Das ist hilf­reich, wenn es dar­um geht, Top-Ma­nage­ment-Ent­schei­dun­gen zu tref­fen bzw. rich­tig auf­zu­be­rei­ten.

© Viessmann Werke

Wie schwierig war es, Akzeptanz für dich und deine Themen im Unternehmen zu finden?

Mir ist be­wusst, dass wir si­cher­lich nicht mit al­len Pro­jek­ten er­folg­reich sein wer­den. Ei­ni­ges wird schief­ge­hen. Das bleibt bei dem Wand­lungs­be­darf nicht aus. Als jun­ger Ge­sell­schaf­ter ist das kei­ne ein­fa­che Aus­gangs­po­si­ti­on. Im Team ist aber ge­nau das sehr gut auf­ge­nom­men wor­den. Ich habe das sehr of­fen an­ge­spro­chen. Ich gehe – ge­nau wie mein Team – »all in«, wie man auf Eng­lisch sa­gen wür­de.

Wo holst du dir persönliche und fachliche Unterstützung?

Ich habe fan­tas­ti­sche Team­mit­glie­der. Aber auch im Öko­sys­tem von Com­pa­ny Buil­ders, Ven­ture-Ca­pi­ta­lists und Busi­ness An­gels gibt es ei­ni­ge Spar­rings­part­ner, die sich mitt­ler­wei­le zu Men­to­ren ent­wi­ckelt ha­ben. Und dann lese ich ein­fach sehr viel. MOOCS, also Mas­si­ve Open On­line Cour­ses, sind da auch ein gu­tes Tool.

Wie sieht dein Vater deine Rolle?

Ich habe sehr gro­ßes Glück, das un­ein­ge­schränk­te Ver­trau­en mei­nes Va­ters zu ge­nie­ßen. Er hat die Not­wen­dig­keit des Wan­dels vor mir und vie­len an­de­ren er­kannt. Die­sen Wan­del aus ei­ner Nach­fol­ger­po­si­ti­on her­aus be­glei­ten zu kön­nen ist eine groß­ar­ti­ge Chan­ce.

Das Unternehmen steht erst am Anfang der digitalen Transformation. Wie realistisch ist es, dass du die Position des CDOs wie angekündigt tatsächlich 2017 abgeben wirst?

Ich ver­ste­he es als Teil mei­ner Auf­ga­be, das Team so auf­zu­stel­len, dass ich auf die­ser Po­si­ti­on er­setz­bar bin. Ich möch­te ger­ne noch in an­de­ren Po­si­tio­nen und eben, wenn mög­lich, auch in an­de­ren Un­ter­neh­men wei­te­re Er­fah­rung sam­meln. In­put von au­ßen ist im­mens wich­tig.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 04/​2016.

Viessmann Werke GmbH & Co. KG

Die 1917 ge­grün­de­te Viess­mann-Grup­pe er­zielt mit Heiz­tech­nik­pro­duk­ten und -dienst­leis­tun­gen mit rund 12.000 Mit­ar­bei­tern ei­nen Jah­res­um­satz von ca. 2,2 Mil­li­ar­den EUR. Un­ser Ge­sprächs­part­ner Ma­xi­mi­li­an Viess­mann ist Mit­glied der In­ha­ber­fa­mi­lie in der 4. Ge­ne­ra­ti­on.

NextGen: Maximilian Vissmann, 27 Jahre, 4. Generation
Unternehmen: Viessmann-Gruppe, ca. 2,2 Milliarden EUR Jahresumsatz, 12.000 Mitarbeiter
Position: Chief Digital Officer, Mitglied des Verwaltungsrats
Story: Der Fachmann für digitale Geschäftsmodelle schickt sich an, die Heiz- und Kimatechnik ins digitale Zeitalter zu überführen.