Next Gen Interview: Einstieg ja – aber mit Bedingungen

Heute kann Karlsberg eine gelungene Nachfolge vorweisen. Aber vor noch nicht allzu langer Zeit waren die Aussichten eher unsicher. Wie hat sich Ihr Weg ins Unternehmen entwickelt?

CHRIS­TI­AN WE­BER: Schon im Schü­le­r­al­ter bin ich nach Schott­land ge­gan­gen, habe dort mei­nen Ab­schluss ge­macht. Dar­auf folg­ten Stu­di­um und Be­rufs­tä­tig­keit im Aus­land, un­ter an­de­rem in Un­garn und Gha­na. Über lan­ge Zeit war mir nicht klar, ob ich die Nach­fol­ge an­tre­te oder nicht; ich hat­te eine prag­ma­ti­sche Dis­tanz zum Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men. Das Un­ter­neh­men war zwar im­mer in mei­nem Kopf prä­sent, aber ei­nen kon­kre­ten Plan hat­te ich nicht.

Können Sie den Zeitpunkt lokalisieren, an dem sich das änderte?

Ja, das war im Jahr 2009. Mein Va­ter lös­te eine lang­jäh­ri­ge Ver­flech­tung mit ei­nem Kon­zern und eine Joint-Ven­ture-Be­zie­hung auf. Da­durch wur­de Karls­berg von ei­ner Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft wie­der zum rich­ti­gen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men, in dem alle Fä­den des Ge­schäfts an ei­nem Punkt zu­sam­men­lie­fen. Die­se neue Auf­stel­lung mach­te es deut­lich at­trak­ti­ver, über das The­ma »Ein­stieg und Nach­fol­ge« nach­zu­den­ken. Ich habe ab 2009 oft und lan­ge mit mei­nem Va­ter über die Mög­lich­kei­ten ge­re­det.

Vor mei­nem »Ich will« führ­te ich vie­le Ge­sprä­che mit den Füh­rungs­kräf­ten bei Karls­berg, aber auch mit Freun­den.

Wie sah dann der Schritt zu Ihrer Entscheidung aus?

Vor mei­nem »Ich will« führ­te ich vie­le Ge­sprä­che mit den Füh­rungs­kräf­ten bei Karls­berg, aber auch mit Freun­den. Hier habe ich laut ge­dacht und über­legt, wie ein Ein­stieg zu ge­stal­ten wäre und mit wel­cher Rol­le ich in das Un­ter­neh­men hin­ein­pas­sen wür­de. Die­se Ge­dan­ken habe ich in ein Zwei-Sei­ten-Pa­pier ver­dich­tet. Es ver­lieh der Idee Aus­druck, dass ich als Nach­fol­ger be­reit bin für ei­nen Ein­stieg in eine Po­si­ti­on mit ei­ner Ge­samt­ver­ant­wor­tung, nicht in ei­nen Teil­be­reich.

Das sind sehr konkrete Vorstellungen. Wie hat Ihr Vater diesen Plan aufgenommen?

Mein Va­ter hat das ohne gro­ße Dis­kus­si­on ak­zep­tiert. Er sag­te: »Okay, ja, dann fang mal an …« Das war im Mai 2010.

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Wie entwickelte sich das Arbeitsverhältnis zwischen vierter und fünfter Generation nach Ihrem Einstieg?

Ich be­gann wie von mir be­ab­sich­tigt in der Ge­schäfts­füh­rung der Hol­ding. Wir ar­bei­te­ten zu­nächst ge­mein­sam. Dann hat sich mein Va­ter Schritt für Schritt zu­rück­ge­zo­gen, ich konn­te im­mer mehr The­men in al­lei­ni­ger Ver­ant­wor­tung an­ge­hen. Bei­spiel: Ein Jahr nach mei­nem Ein­stieg hat mein Va­ter sei­ne phy­si­sche Prä­senz im Un­ter­neh­men re­du­ziert. Er hat sich aus der Ge­schäfts­lei­tungs-Sit­zung zu­rück­ge­zo­gen, er hat nicht mehr an Gre­mi­en teil­ge­nom­men. Im ope­ra­ti­ven Ge­schäft ha­ben wir eine breit auf­ge­stell­te Füh­rung mit fa­mi­li­en­frem­den Ver­ant­wor­tungs­trä­gern, an die­se sand­te er das Si­gnal: »Wenn ihr et­was wollt, dann geht da­mit bit­te zu mei­nem Sohn.«

Und wie haben Sie hier eine Gesprächsbasis etabliert?

Ich habe viel mit den fa­mi­li­en­frem­den Füh­rungs­kräf­ten dis­ku­tiert, ich habe mich über die Vor­gän­ge im Ge­schäft in­for­miert. Aber ich war nie so ver­mes­sen, ih­nen zu er­klä­ren, wie sie ih­ren Job ma­chen sol­len. Wir füh­ren bei Karls­berg mit ge­teil­ter Ver­ant­wor­tung. Es war nicht mei­ne Ab­sicht, je­man­dem im Un­ter­neh­men sei­ne Auf­ga­be strei­tig zu ma­chen.

Nachdem Sie ins Geschäft eingestiegen waren, wie haben Sie Ihre eigene Agenda aufgebaut?

Das er­gab sich ganz na­tür­lich aus ei­nem Strom von neu­en Auf­ga­ben. Wir wa­ren da­mit be­schäf­tigt, das Joint Ven­ture mit ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men zu ent­flech­ten, die Ge­schäf­te dort wie­der her­aus­zu­lö­sen, auf­zu­räu­men und uns nach dem Bild »ein Un­ter­neh­men« neu auf­zu­stel­len. Durch die­se Agen­da ent­stan­den eine Men­ge Pro­jek­te, für mich in mei­ner Rol­le als Nach­fol­ger im Rück­blick die bes­te Art des Ein­stiegs. Über Pro­jek­te fin­det sich das Team.

Wie ist Ihr Vater heute intern positioniert?

Er hat sein Büro ne­ben mei­nem. Er ist durch­aus im Un­ter­neh­men prä­sent, aber eben ohne ak­ti­ve Rol­le im Ma­nage­ment. Über­dies gibt es eine sehr enge Ver­bin­dung zu mir. Mein Va­ter mit sei­ner im­men­sen Er­fah­rung ist mein engs­ter Spar­rings­part­ner. Wir re­den in­ten­siv über Per­so­nal­fra­gen, über In­ves­ti­tio­nen und über die stra­te­gi­sche Aus­rich­tung. Das ist sein An­ker ins Un­ter­neh­men, das er so lan­ge durch sein Wir­ken ge­prägt hat. Er nimmt mit­tel­bar bis heu­te an den Dis­kus­sio­nen teil, aber nicht ge­gen­über dem ope­ra­tiv tä­ti­gen Ma­nage­ment, son­dern über die Ver­bin­dung zu mir. Das ist eine sau­be­re Ab­gren­zung.

© Karlsberg Brauerei

Ich sehe mei­ne Auf­ga­be dar­in, In­no­va­ti­on aus dem Un­ter­neh­men her­aus­zu­kit­zeln.

Oft hat der Senior einen anderen Stil als sein Nachfolger. Welche Art von Wandel der Unternehmens- und Führungskultur hat der Generationswechsel bei Karlsberg mit sich gebracht?

Bei uns ist die Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit mehr in den Vor­der­grund ge­tre­ten. Heu­te wird we­ni­ger über Hier­ar­chie und we­ni­ger di­rek­tiv ge­führt als frü­her. Das aber hat nichts mit der Nach­fol­ge zu tun, son­dern mit ei­nem grund­le­gen­den Wan­del in der Bran­che. Frü­her konn­te ge­win­nen, wer schnell war. Die An­sa­ge »So wird es jetzt ge­macht« und ra­sche Um­set­zung brach­ten den Er­folg. Heu­te gilt: Schnell kann je­der, gute Ide­en sind Quel­le des Vor­sprungs ge­wor­den. Das schafft eine neue Rol­le der Füh­rung. Ich sehe mei­ne Auf­ga­be dar­in, In­no­va­ti­on aus dem Un­ter­neh­men her­aus­zu­kit­zeln, die rich­ti­gen Mit­ar­bei­ter in Schlüs­sel­po­si­tio­nen zu brin­gen und sie ma­chen zu las­sen. Karls­berg war schon im­mer weit weg von ei­ner Welt, in der alle dar­auf war­ten, was der Chef sagt. Wir pfle­gen eine Kul­tur des De­le­gie­rens, die ich wei­ter ge­stärkt habe.

Haben Sie unter den neuen Bedingungen Vorteile am Markt als Familienunternehmen?

Wenn Dif­fe­ren­zie­rung wich­tig wird, hat das in­ha­ber­ge­führ­te Un­ter­neh­men Vor­tei­le. Ein Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men kann an­de­re Wege ge­hen als ein Kon­zern, der über Zah­len und Ef­fi­zi­enz ge­führt wird. Wir sind wer­te­ori­en­tiert und kön­nen un­se­ren Auf­tritt auf ganz na­tür­li­che Wei­se emo­tio­na­li­sie­ren, weil eine Fa­mi­lie die Kul­tur prägt und nicht an­ony­me Ei­gen­tü­mer, die kei­ner kennt. Das macht es leich­ter, Men­schen an das Un­ter­neh­men her­an­zu­füh­ren und sie als Mit­ar­bei­ter zu bin­den. Auch ge­gen­über Kun­den schafft die Emo­ti­on, die von ei­ner In­ha­ber­fa­mi­lie aus­geht, in un­se­rem Ge­schäft Plus­punk­te. Die Füh­rung frei­lich muss auch im Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men pro­fes­sio­nell und leis­tungs­be­tont sein.

Werfen wir einen Blick auf die Inhaberschaft, Herr Weber. Mit dem Übergang auf die fünfte Generation ist das Feld der Gesellschafter diverser geworden. Wie gestalten Sie heute, nach der Nachfolge, die Schnittstelle zwischen Führung und Eigentümern?

Es gibt der­zeit 25 Ge­sell­schaf­ter, sie ver­tei­len sich auf ver­schie­de­ne Stäm­me. Kein Ge­sell­schaf­ter hat ei­nen do­mi­nie­ren­den An­teil. Alle In­ha­ber über­tra­gen ihre Rech­te an ei­nen per­sön­lich haf­ten­den Ge­sell­schaf­ter, der in ih­rem Auf­trag die Ge­schäf­te führt. Das Schar­nier zwi­schen Fa­mi­lie und Füh­rung ist der Ver­wal­tungs­rat, er ist mit vier Fa­mi­li­en­mit­glie­dern und drei Fa­mi­li­en­frem­den be­setzt. Hier fin­det ein re­gel­mä­ßi­ger Aus­tausch zu al­len stra­te­gi­schen The­men statt. Au­ßer­dem ist die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung ein wich­ti­ges Ele­ment un­se­rer Go­ver­nan­ce. Hier kom­men alle, die Fa­mi­li­en, Kin­der, die nächs­te Ge­ne­ra­ti­on. Wir stel­len das vor, was im Un­ter­neh­men pas­siert, in­for­mie­ren über al­les – und schaf­fen ei­nen Ort des Zu­sam­men­halts. Das ist für das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ein wich­ti­ger An­ker.

Das In­ter­view wurde geführt für den Un­ter­neh­mer­Brief 02/​2015.

Karlsberg Service GmbH

Die Karls­berg Braue­rei wur­de 1878 im saar­län­di­schen Hom­burg ge­grün­det. Heu­te er­wirt­schaf­ten 1.400 Mit­ar­bei­ter ei­nen Um­satz von ca. 410 Mio. EUR. Das Port­fo­lio der Karls­berg-Grup­pe um­fasst ne­ben der Stamm­mar­ke »Karls­berg« ein brei­tes Sor­ti­ment be­kann­ter Ge­trän­ke­mar­ken, z.B. Karls­bräu, Grün­dels, Afri Cola, Blu­na, die Frucht­säf­te Nie­hoffs Vai­hin­ger und Mer­zi­ger so­wie die Was­ser­mar­ken Tei­n­ach­er, Rich­lin­ger und Krum­bach.

NextGen: Christian Weber, 36 Jahre, 5. Generation
Unternehmen: Karlsberg Brauerei, ca. 410 Mio. EUR Umsatz, 1.400 Mitarbeiter
Position: geschäftsführender Gesellschafter
Story: Nach beruflichen Sationen im Ausland, u.a. in Ghana und Ungarn, arrangierte Christian Weber seinen Einstieg als Nachfolger im Familienunternehmen zu seinen eigenen Konditionen.