Next Gen Interview: »Rollenwechsel«
Wie erfolgte dein Einstieg ins Familienunternehmen?
DR. TOBIAS ROSENTHAL: Ich habe Chemie und Biochemie an der LMU in München sowie Economics and Finance an der London School of Economics studiert. Dann folgte die Promotion in Chemie. Schon während dieser Zeit war ich „Assoziiertes Mitglied“ im Beirat von Baerlocher. Es war eine gute Möglichkeit, die Entwicklungen im Unternehmen eng zu verfolgen.
Wie war es, als junger Mensch in einem mit gestandenen Unternehmerpersönlichkeiten besetzten Gremium zu wirken?
Natürlich ist das am Anfang eine ungewohnte Situation. Ich habe zu Beginn vor allem zugehört und versucht, das Bild, das mir mein Vater von der Firma vermittelt hat, durch die neuen Informationen aus dem Beirat zu ergänzen. Geholfen hat auch, dass ich mich im Nachgang zu den Sitzungen mit Fragen an einzelne Mitglieder des Beirates und das Management wenden konnte. Da die Beiratsmitglieder es als Teil ihrer Aufgabe gesehen haben, mich an die Firma heranzuführen, konnte ich mich schnell einarbeiten, ohne mich aufgrund der geringeren Erfahrung gehemmt zu fühlen. Letztlich hilft mit Sicherheit auch ein gutes Verhältnis auf persönlicher Ebene und ich bin unserem Beirat für die Unterstützung in diesem Prozess sehr dankbar.
Was machst du heute bei Baerlocher?
Mir war wichtig, über Baerlocher und die Chemiebranche hinaus breitere externe Erfahrungen zu sammeln. Inhaltlich und persönlich. Echtes Feedback hinsichtlich der eigenen Leistung ist im eigenen Unternehmen schwer zu bekommen. So war ich in den letzten zwei Jahren im Bereich Valuation & Strategy von PwC tätig. Ende 2016 habe ich den Beirat verlassen und bin im Bereich Corporate Development bei Baerlocher eingestiegen. In dieser Funktion bearbeite ich alle Themen, die für die strategische Ausrichtung der Baerlocher Gruppe von hoher Relevanz sind, also die Erschließung neuer Geschäftsfelder, M&A-Aktivitäten, organisches Wachstum über neue Produktkategorien, die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Geschäftsmodelle und die unserer Kunden.
Wir sind daher zu dem Schluss gekommen, dass Strategieentwicklung und Strategiebegleitung aus einer Beiratsrolle heraus auch Aufgabe der Inhaber sein muss.
Ist der Wechsel von der Beiratsrolle in eine operative Rolle der erste Schritt eines Nachfolgeplans, mit dem du dich auf eine Geschäftsführungsaufgabe vorbereitest?
Nein, ganz bewusst nicht. Als wir in der Familie und im Beirat besprachen, wie meine zukünftige Rolle bei Baerlocher aussieht, habe ich mir die Zeit genommen, unterstützt durch einen Coach von INTES gemeinsam mit allen Beteiligten abzustimmen, wie diese Rolle aussehen könnte und sollte. Am Ende war für mich klar, dass ich eher eine Beiratsrolle als eine Geschäftsführungsrolle anstrebe. Es gibt exzellente Geschäftsführer, die Baerlocher sehr professionell und verantwortungsbewusst operativ führen. Diese Aufgabe kann man als Inhaberfamilie delegieren. Die Verantwortung, an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens mitzuwirken, jedoch nicht. Wir sind daher zu dem Schluss gekommen, dass Strategieentwicklung und Strategiebegleitung aus einer Beiratsrolle heraus auch Aufgabe der Inhaber sein muss. Natürlich gemeinsam mit professionellen externen Beiräten, wie wir sie seit vielen Jahren haben. Durch meine aktuelle Tätigkeit im Corporate Development kann ich mich tiefer in das Unternehmen einarbeiten mit klarem Fokus auf den strategischen Fragestellungen.
Und in dieser Funktion berichtest du an den CEO? Und das als Mehrheitsgesellschafter? Ist dieser Rollenwechsel nicht kompliziert?
Die Basis ist ein sehr gutes persönliches Verhältnis zum Managementteam und eine klare Kommunikation, was die Zielsetzung betrifft. Außerdem ist das Corporate Development eine Stabsfunktion. Das macht es einfacher, als wenn ich zum Beispiel die Leitung einer Tochtergesellschaft übernommen hätte, wie das ja auch viele Nachfolger – erfolgreich – bei ihrem Einstieg machen. Der Rollenwechsel gelingt bei uns zumindest ganz gut. Bei manchen Themen arbeite ich unserem CEO zu, bei anderen – die langfristige strategische Ausrichtung betreffenden – Themen bringe ich mich aber auch durchaus als Gesellschafter ein. Im Austausch mit Management und Beirat sind die Rollen meist sehr klar. Gegenüber Mitarbeitern ist es bisweilen etwas erklärungsbedürftig, wenn es etwa um deren Zeitallokation bei Projekten geht, die ich leite. Da werden meine Projekte manchmal zu stark priorisiert. Da muss man dann auch mal gegensteuern.
Wir beschäftigen uns mit Industrie-4.0-Themen, mit neuen Technologien, aber auch mit neuen Geschäftsmodellen.
Was bedeutet Digitalisierung für Baerlocher? Gibt es disruptive Entwicklungen oder verändert sich eure Branche evolutionär?
Die Digitalisierung beschäftigt uns auf allen Ebenen. Wir beschäftigen uns mit Industrie-4.0-Themen, mit neuen Technologien, aber auch mit neuen Geschäftsmodellen. Wir vermuten, dass sich die Prozess- und Wertschöpfungskette, wie wir sie heute kennen, also vom Rohmaterialhersteller über den Compounder, den Veredler und den Verarbeiter bis hin zum Endkunden, verändern wird. Vielleicht wird Baerlocher eines Tages an ganz anderen Stellen der Wertschöpfungskette tätig sein, beispielsweise direkt beim Endverbraucher. Das würde dann ganz andere Strukturen erfordern.
Wird sich die Rolle des Beirats angesichts dieser Herausforderungen verändern?
Langfristig wahrscheinlich schon. Da muss man genau schauen, welche Aufgaben dem Beirat zufallen und wer geeignet ist, diese zu übernehmen. Aktuell haben wir sehr erfahrene Persönlichkeiten im Beirat und die Zusammensetzung passt gut zur aktuellen Aufgabenstellung.
Das Interview wurde geführt für den UnternehmerBrief 03/2017.
Baerlocher GmbH
Das 1823 gegründete Unternehmen mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist ein weltweit führender Hersteller von Additiven und Stabilisatoren für die Herstellung verschiedenster PVC-Produkte wie Rohre, Kabel, (Fenster-)Profile, Fußböden etc., die in unterschiedlichen Industrien zum Einsatz kommen. Außerdem ist Baerlocher mit seinen Spezialadditiven Partner für Polymeranwendungen unter anderem in der Gummi-, Papier- und Elektronikindustrie sowie für Hydrophobierungslösungen in der Bauindustrie. Von 1980 bis 2004 führte Dr. Michael Rosenthal, Vater von Dr. Tobias Rosenthal, das Familienunternehmen als Geschäftsführender Gesellschafter. Heute ist er Beiratsvorsitzender. Das Unternehmen wird aktuell von einem familienfremden Management geführt. Die Baerlocher Gruppe erzielt mit rund 1.150 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 400 Mio. EUR.
NextGen: Tobias Rosenthal, 3. Generation
Unternehmen: Baerlocher GmbH, ca. 400 Mio. EUR Jahresumsatz, 1.150 Mitarbeiter
Position: Corporate Development
Story: Dank guter Kommunikation mit Beirat, Geschäftsführung und Mitarbeitern gelingt ihm der Spagat zwischen operativer Aufgabe und Inhaberrolle.