Next Gen Interview: »Strategie XXL«
Wann und wie reifte bei dir der Entschluss, als Mitglied der vierten Generation ins Familienunternehmen einzusteigen?
NILS BECKMANN: Mir war immer bewusst, dass mein Vater sich schon sehr wünschte, ich würde in das Unternehmen einsteigen, obwohl er mir natürlich immer gesagt hat: „Nils, du kannst machen, was du willst.“ Ich habe dann eine Ausbildung als Industriekaufmann gemacht und BWL studiert. Ein Schlüsselmoment bei der Entscheidungsfindung war der Masterstudiengang „Family Entrepreneurship“ der Zeppelin Universität, den ich gemeinsam mit zwölf anderen jungen Familienunternehmern gemacht habe. Der Austausch in der Gruppe, in der einige aus erster Hand von ihren Erfahrungen im Familienunternehmen berichten konnten, hat die Chancen, die man im eigenen Unternehmen hat, noch einmal aufgezeigt. Parallel habe ich im Praxisteil des Studiengangs im internationalen Vertrieb bei Delta Pronatura gearbeitet. Danach war für mich sehr klar, dass ich das machen will.
Du bist dann aber nicht sofort eingestiegen?
Ich wollte unbedingt noch externe Erfahrung sammeln und war dann zwei Jahre bei dem Bielefelder Familienunternehmen Dr. Wolff, das unter anderem Alpecin und Plantur herstellt. Dort habe ich sehr unmittelbar mit einem der Inhaber im Bereich Internationaler Vertrieb zusammengearbeitet. Dr. Wolff war uns damals in manchen Themen wie Professionalisierung des Markenauftritts oder Digitalisierung einen Schritt voraus. Dadurch habe ich viele Ideen bekommen, was man bei Delta Pronatura umsetzen könnte. Gleichzeitig habe ich durch die direkte Arbeit mit den Gesellschaftern gesehen, wie schnell man aus dieser Position Projekte auf- und umsetzen kann. Das hat mich angespornt, schnell zurück nach Egelsbach zu gehen.
Gab es weitere Familienmitglieder, die für eine Nachfolge infrage gekommen wären?
Das Unternehmen gehört jeweils zu 50 Prozent den Familien Beckmann und Krauss. Da meine Schwester einen ganz anderen Berufsweg gewählt hat, war die Nachfolge von unserer Seite aus klar. Wer aufseiten der Familie Krauss die Nachfolge von Gerhard Krauss antreten wird, steht noch nicht fest. Beide Familien haben aber festgelegt, dass auf jeder Seite nur eine Person die Gesellschafteranteile übernehmen wird.
Für den Einstieg haben wir einen genauen Fahrplan ausgearbeitet
Wie sah der Plan für deinen Einstieg aus?
Wir haben im Sparring mit der Unternehmensberatung Weissman & Cie. einen Fahrplan ausgearbeitet. Nachdem wir verschiedene Optionen geprüft haben – von der Führung eines Bereichs oder einer Auslandstochter bis hin zum direkten Einstieg in die Geschäftsführung –, haben wir uns dann für Letzteres entschieden. Dazu haben wir uns auf eine dreijährige Übergabephase verständigt und das auch schriftlich festgehalten. Ende des Jahres geht die Komplementärstellung meines Vaters dann auf mich über.
Wie teilt ihr euch die Aufgaben auf?
Wir haben eine genaue Ressortaufteilung. Marketing und Vertrieb liegen zum Beispiel bei mir, Finanzen, Produktion und Logistik weiterhin bei Gerhard Krauss. In der Vergangenheit war die Ressortzuteilung weniger klar, aber bei dem starken Wachstum wird es in Zukunft kaum möglich sein, sich auf Detailebene weiterhin so eng abzustimmen, wie das Gerhard Krauss und mein Vater getan haben.
Das Unternehmen hat seinen Umsatz in den vergangenen sieben Jahren verdoppelt. In den nächsten sieben Jahren soll sich der Umsatz noch einmal verdoppeln? Wie macht ihr das?
Vieles geht auf unser neues Strategiemodell zurück. Wir haben vor einigen Jahren ein sehr umfassendes Strategieprojekt gestartet. Wir haben uns ganz konkret gefragt, was wir jetzt richtig machen müssen, damit wir auch morgen noch erfolgreich sind, und viele Themenfelder identifiziert. In diesen Strategieprozess war am Anfang nur die Geschäftsführung involviert, später immer mehr Mitarbeiter auf den unterschiedlichsten Ebenen. Wir haben mittlerweile 30 Projekte definiert, die wiederum Unterprojekte haben.
Ich habe gesehen, wie schnell man im eigenen Familienunternehmen Projekte auf- und umsetzen kann
Was ist der Kern dieser neuen Strategie?
Das auf wenige Aussagen zu reduzieren ist schwierig. Ein Element ist eine klarere Markenstrategie, ein weiteres das Thema Innovation. Es geht darum, dass wir Innovationen viel schneller entwickeln und umsetzen müssen und dazu vor allem auch Mitarbeiter aus unseren internationalen Niederlassungen stärker einbinden müssen.
Dass alles Gute in Deutschland erfunden wird, gilt schon lange nicht mehr. Und ein weiterer wesentlicher Bestandteil ist die Ausweitung unserer Absatzkanäle. Wir planen die Erschließung neuer Regionen über internationales Wachstum, aber auch ein Wachstum in bestehenden Märkten über neue Absatzkanäle.
Über E-Commerce?
Auch, aber nicht nur. Unsere Distributionskanäle verändern sich gerade sehr stark. E-Commerce ist da nur ein Thema, aber ein wichtiges. In China machen wir bereits ein Drittel des Umsatzes mit E-Shops. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, bleibt es schwierig, Drogerieartikel online zu verkaufen.
Ein so umfangreiches Strategiekonzept klingt nach viel Unruhe im Unternehmen. Wie finden dein Vater und Gerhard Krauss das?
Sie waren von Anfang an begeistert. Sonst hätte das auch nicht funktioniert. Aber natürlich besteht die große Herausforderung darin, die Mitarbeiter mitzunehmen. Aber das gelingt uns ganz gut. Wir haben auch einige Leuchtturmprojekte, die zeigen, wie positiv die Veränderungen wirken.
Abgesehen vom E-Commerce, auf welchen Ebenen treibt ihr die Digitalisierung des Unternehmens noch voran?
Wir digitalisieren verschiedene Geschäftsprozesse. Unsere Etikettenherstellung haben wir zum Beispiel komplett über ein Tool digitalisiert. Auch unser Dokumentenmanagement erfolgt jetzt papierlos. Außerdem sind wir endlich ans Glasfasernetz angeschlossen und setzen erste Projekte in der Cloud um.
An welchen anderen Unternehmen orientierst du dich, wenn du über Zukunftsthemen bei Delta Pronatura nachdenkst?
Silicon-Valley-Firmen oder eher andere Mittelständler? Beides. Das Silicon Valley ist schon sehr inspirierend. Von der INTES-/PwC-Reise bin ich recht geflasht zurückgekommen. Aber was von den vielen Ideen aus dem Silicon Valley dann im eigenen Unternehmen umsetzbar ist, steht auf einem anderen Blatt.
Eure Produkte kennt fast jeder. Als Familienunternehmen kennt man euch eher selten …
Bisher haben wir in unserer Unternehmenskommunikation nur auf die Produktmarken gesetzt, aber für das Employer-Branding ist es durchaus sinnvoll, auch mehr über Delta Pronatura als Unternehmen zu sprechen.
Das Interview wurde geführt für den UnternehmerBrief 03/2018.
Delta Pronatura Dr. Krauss & Dr. Beckmann KG
Das 1934 gegründete Unternehmen hat sich auf die Bereiche Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittel sowie Health- & Beauty-Care spezialisiert. Zu den bekanntesten Marken gehören in Deutschland „Dr. Beckmann“ mit dem bekannten Reiniger „Fleckenteufel“ oder „Original Bullrich Salz.“ Mit 350 Mitarbeitern erzielt die Gruppe mit Sitz im hessischen Egelsbach weltweit einen Umsatz von rund 165 Mio. Euro, davon 60 Prozent im Ausland. Gerade wurde die vegane Wasch- und Reinigungsserie „Dr. Theo Krauss“ auf den Markt gebracht. Sie ist benannt nach dem Sohn des Firmengründers, einem Apotheker und ausgesprochenem Naturliebhaber. Das Unternehmen gehört zu jeweils 50 Prozent den Familien Beckmann und Krauss. Nils Beckmann (34 Jahre, vierte Generation) leitet das Unternehmen aktuell in einer Übergangsphase gemeinsam mit seinem Vater Heiner Beckmann und dessen Cousin Gerhard Krauss. Ende 2018 wird Heiner Beckmann aus der Geschäftsführung ausscheiden.
NextGen: Nils Beckmann, 34 Jahre, vierte Generation
Unternehmen: Delta Pronatura Dr. Krauss & Dr. Beckmann KG, ca. 165 Mio. EUR Umsatz weltweit, 350 Mitarbeiter
Position: Mitglied der Geschäftsführung
Story: Einstieg ins Familienunternehmen mit Masterabschluss in „Family Entrepreneurship“