NextGen Story: »Transformation: ganz oder gar nicht«
Der Hygienepapierproduzent WEPA macht sich fit für die Zukunft. Andreas Krengel (32 Jahre) treibt den umfassenden Transformationsprozess voran. Dem voraus ging die Neuausrichtung der Familienstrategie.
Von Ulrike Lüdke
Um vier Uhr morgens klingelt der Wecker von Andreas Krengel an einem normalen Arbeitstag. Der 32-Jährige ist Vertreter der dritten Generation der Unternehmerfamilie Krengel und seit Beginn des Jahres Mitglied des Vorstands der WEPA Gruppe mit Stammsitz im sauerländischen Arnsberg. „Ich nutze die Morgenstunden, um Sport zu machen, um mir durch einen guten Podcast oder Artikel Inspiration zu holen oder um einfach drei Stunden in Ruhe zu arbeiten“, sagt er. Vor vier Jahren ist Andreas Krengel in das Familienunternehmen eingetreten, um in Großbritannien das Geschäft für WEPA mit aufzubauen. „Nach wenigen Monaten war mir klar, dass das UK-Geschäft zwar wichtig ist, die Zukunft unseres Unternehmens aber davon abhängt, ob es uns gelingt, WEPA für die veränderten Rahmenbedingungen, die man ja häufig auch mit der sogenannten VUCA-Welt beschreibt, aufzustellen“, sagt Krengel.
VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity – auf Deutsch Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – und beschreibt die Herausforderungen, denen sich Unternehmen heute stellen müssen. Andreas Krengel hat viel vor: Seit 2019 treibt er in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit seinen Vorstandskollegen und der Führungsmannschaft von Arnsberg aus die Strategieumsetzung und den Transformationsprozess von WEPA im Eiltempo voran. Der Hersteller von Hygienepapieren hat sich unter dem Transformation: ganz oder gar nicht Titel „Perform & Transform – WEPA 2023“ ein ehrgeiziges Strategieprogramm verordnet. Das Ziel: bis 2023 will das Unternehmen in Europa der „nachhaltigste und agilste Partner erster Wahl für persönliche und professionelle Hygienelösungen“ werden.
Der Transformationsprozess bei WEPA ist umfassend. „Wir müssen uns stärker am Markt ausrichten und zugleich neue Fähigkeiten innerhalb unserer Organisation entwickeln“, sagt Andreas Krengel. Keine leichte Aufgabe in einem Markt, der von volatilen Rohstoffpreisen geprägt ist und im Kernmarkt nur noch begrenzte Wachstumsmöglichkeiten bietet. Zwar wurde Toilettenpapier durch die Corona-Krise kurzfristig zum Verkaufsschlager. Doch der Einbruch der Nachfrage im Sommer 2020 ließ nicht lange auf sich warten. Zudem schrumpfte das B2B-Geschäft aufgrund des Lockdowns um 30 Prozent.
WEPA erwirtschaftet rund ein Fünftel seines Umsatzes mit Großkunden wie Hotels, Restaurants und Industrie. 80 Prozent des Umsatzes werden mit der Produktion von Handelsmarken bspw. für europäische Discounter, Supermärkte und Drogeriemärkte verdient. Unter dem Strich blieb im vergangenen Jahr ein Umsatz von 1,3 Mrd. Euro, was einer Steigerung von unter 3 Prozent entsprach.
„Wir müssen uns stärker am Markt ausrichten und zugleich neue Fähigkeiten innerhalb unserer Organisation entwickeln“.
Bedeutung der Familienstrategie
Für den aktuell bei WEPA stattfindenden Strategie- und Transformationsprozess ist eine geeinte Familie zwingend notwendig. An der Frage „Wofür stehen wir und wo wollen wir hin?“ können Unternehmerfamilien auseinanderbrechen. Das Bedürfnis nach Veränderung der designierten Nachfolger wird vom Senior oft als Kritik an der eigenen Lebensleistung interpretiert. „Bei uns ist das nicht so“, versichert Andreas Krengel. Sein Vater selbst habe den Veränderungsprozess in Gang gesetzt und treibe ihn als Vorbild für alle Mitarbeitenden voran. Auch die übrigen Familiengesellschafter stünden voll hinter der unternehmerischen Weiterentwicklung und dem damit einhergehenden Transformationsprozess von WEPA, sagt Krengel. Dass die Unternehmerfamilie, die immerhin 17 Mitglieder zählt, eng zusammenhält, ist das Ergebnis eines langjährigen Prozesses. Seit über 15 Jahren organisiert sich die Unternehmerfamilie über zweimal im Jahr stattfindende Unternehmerfamilientage, auf denen die Familienstrategie und die Eckpfeiler für die Unternehmensstrategie diskutiert und festgelegt werden. Kontinuierlich hat sich über die Jahre auch die Organisation der Unternehmerfamilie weiterentwickelt. So wurde 2011 die erste Familienverfassung erarbeitet. 2015 wurde sie gemeinsam im Zuge der Weiterentwicklung der Familienstrategie angepasst. Stammesdenken gehört in der Unternehmerfamilie Krengel seitdem auch im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Struktur der Vergangenheit an. Die Stammesgesellschaften der drei Brüder aus der zweiten Generation – Martin, Wolfgang und Joachim Krengel – sind in der Familienholding UFK (Unternehmerfamilie Krengel) aufgegangen. Eine gelebte Family Governance stärkt den Zusammenhalt unter den Gesellschaftern. So wuchsen über die Jahre das Verantwortungsbewusstsein und die Gesellschafterkompetenz der Eigentümerfamilie. „Das zahlt sich jetzt aus“, sagt Andreas Krengel.
Innovationen: nicht nur hausgemacht
Differenzierungspotenzial für das Familienunternehmen sieht Andreas Krengel vor allem beim Thema Nachhaltigkeit. Bei Hygienepapieren auf Basis von Recyclingfasern gilt WEPA bereits heute als europäischer Marktführer. Um die Innovationskraft zu stärken und das Produktportfolio zu erweitern, wurde im vergangenen Jahr WEPA Ventures ins Leben gerufen, das in innovative Start-up-Unternehmen investiert, die zum Geschäft der WEPA Gruppe passen. Zwei Start-ups hat WEPA Ventures bereits im Portfolio: das Unternehmen vetevo, das Heimtierprodukte, Dienstleistungen und eine App rund um die Gesundheit von Haustieren anbietet, und Mylily, einen Anbieter von Bio-Periodenprodukten. Auch ein eigenes Start-up ist bereits entstanden: SNYCE bietet designorientierte, bedruckte Toilettenpapiere aus Recyclingfasern in umweltteil der Wertschöpfungskette soll digitalisiert werden. Die Smart Factory, die digitale Supply-Chain und digitale Arbeitsweisen sollen in absehbarer Zukunft zum Unternehmensalltag gehören. Einige der Ideen dazu werden von WEPA.digital entwickelt und sukzessive in die Prozesse implementiert. Innerhalb von drei Jahren, so der Plan, sollen die Digitalisierungsinitiativen in den Fachabteilungen aufgehen und vollständig in die WEPA Gruppe integriert werden.
Kommunikation nach innen und außen
Damit der umfassende Transformationsprozess gelingt, braucht die Unternehmensleitung den Rückhalt ihrer Mitarbeitenden. Die Strategie und die Umsetzungsschritte müssen kommuniziert und von den Beschäftigten in den unterschiedlichen Organisationsebenen verstanden werden. „Woher wir kommen und wohin wir wollen, haben wir 2019 in einem Strategiepapier niedergeschrieben und – damit es für alle anschaulicher ist – sogar in einem Strategiebild illustriert“, erklärt Andreas Krengel. In Betriebsversammlungen an allen 13 WEPA-Standorten, in unzähligen Teamgesprächen und mit Videobotschaften wurden die Mitarbeitenden auf die Veränderungen eingestimmt. Für jede Geschäftseinheit, jede Abteilung wurden die entsprechenden Ziele abgeleitet und mit der Führungsmannschaft entsprechende strategische Initiativen erarbeitet. „Durch die intensive Kommunikation haben wir den Strategieprozess für jeden Mitarbeitenden zu einem persönlichen Transformationsprozess gemacht“, sagt Andreas Krengel.
Auch in der Außenkommunikation geht WEPA neue Wege. Da das Familienunternehmen vor allem für Handelsmarken und nicht unter dem eigenen Markennamen produziert, blieb der Mittelständler aus dem Sauerland – ganz Hidden Champion – oftmals im Hintergrund. „Für die Herausforderungen, denen wir uns in der VUCA-Welt stellen müssen, brauchen wir Kooperationspartner innerhalb der Wertschöpfungskette, daher wollen wir auch offener kommunizieren, wofür wir stehen“, erklärt Andreas Krengel. Auch für die Personalgewinnung spiele das Thema „Corporate Branding“ eine immer wichtigere Rolle. Besteht bei so vielen neuen Ansätzen nicht die Gefahr, sich zu verzetteln? Ein wichtiger Bestandteil der Transformation sei eben auch, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen und Führung zu dezentralisieren, findet Andreas Krengel. Er sieht seine Aufgabe im Anschieben und Koordinieren der Projekte. „Doch wir müssen aufpassen, dass wir die Mitarbeitenden nicht überfordern“, räumt er ein. „Daher ist der Strategie- und Transformationsprozess bei WEPA auch als eine Reise skizziert, in der verschiedene Phasen aufeinander aufbauen.“ Wichtig sei, alle Mitarbeitenden in dem Prozess mitzunehmen und die Führungskultur für die neuen Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln. Trotz aller unternehmerischen Ungeduld müsse es auch Phasen geben, die den Beschäftigten die Gelegenheit geben, sich weiterzuentwickeln, um dann mehr Verantwortung zu übernehmen. „Die Welt ist zu komplex geworden für Führungsmodelle mit zentralen Entscheidern“, ist Andreas Krengel überzeugt. „Mein Vater kennt noch jede Schraube im Unternehmen, für mich und meine Mitgesellschafter ist das undenkbar.“
Reißfest: WEPA Gruppe
Die Anfänge der WEPA Gruppe gehen auf die 1948 gegründete Westfälische Papierfabrik, kurz WEPA, im sauerländischen Arnsberg, zurück. Paul Krengel Senior konzentrierte sich zunächst auf den Handel und die Verarbeitung von Papieren, 1958 stieg er selbst in die Papierproduktion ein. Heute erwirtschaftet das Familienunternehmen mit Hygienepapieren an 13 europäischen Standorten rund 1,3 Mrd. Euro mit ca. 4.000 Mitarbeitenden und hält in Deutschland einen Marktanteil von 25 Prozent und in Europa von 8 Prozent. Vorstandsvorsitzender ist Martin Krengel. Sein Sohn Andreas Krengel, der Anfang des Jahres in den Vorstand aufgerückt ist, verantwortet den Strategie- und Transformationsprozess sowie die Unternehmenskommunikation und die Geschäftseinheit „New Business Areas“. Neben den beiden Familienmitgliedern gehören zwei familienfremde Vorstände dem Gremium an. Der Aufsichtsrat ist ausschließlich mit familienfremden Mitgliedern besetzt. Aufsichtsratsvorsitzender ist Friedrich Merz.
NextGen: Andreas Krengel, 3. Generat.
Unternehmen: WEPA Gruppe
Position: Mitglied des Vorstands
Story: Andreas Krengel scheut sich nicht, die sehr umfassende (digitale) Transformation an viellen Stellen gleichzeitig zu forcieren