China nimmt neue Technologien ernster

Jen­ni­fer Zhu Scott ist Be­ra­te­rin für Tech-The­men beim World Eco­no­mic Fo­rum, Un­ter­neh­me­rin und Grün­de­rin. Sie spricht über die Wett­be­werbs­nach­tei­le in Eu­ro­pa, ei­nen Markt­platz für per­sön­li­che Da­ten und die Zu­kunft von nach­hal­ti­gen Ge­schäfts­mo­del­len. Jen­ni­fer Zhu Scott im Ge­spräch mit Ul­ri­ke Lüd­ke Frau Scott, wie werden Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI) die Unternehmenslandschaft verändern?JENNIFER ZHU SCOTT: Wir be­fin­den … Weiterlesen

Jen­ni­fer Zhu Scott ist Be­ra­te­rin für Tech-The­men beim World Eco­no­mic Fo­rum, Un­ter­neh­me­rin und Grün­de­rin. Sie spricht über die Wett­be­werbs­nach­tei­le in Eu­ro­pa, ei­nen Markt­platz für per­sön­li­che Da­ten und die Zu­kunft von nach­hal­ti­gen Ge­schäfts­mo­del­len.

Jen­ni­fer Zhu Scott im Ge­spräch mit Ul­ri­ke Lüd­ke

Frau Scott, wie werden Blockchain und Künstliche Intelligenz (KI) die Unternehmenslandschaft verändern?
JENNIFER ZHU SCOTT:
 Wir be­fin­den uns in­mit­ten der 4. In­dus­tri­el­len Re-vo­lu­ti­on. Die Künst­li­che In­tel­li­genz (KI) wird un­ser Le­ben re­vo­lu­tio­nie­ren und sich auf sämt­li­che Le­bens­be­rei­che aus­wir­ken – wie wir Pro­duk­te hers­tel-len, wie wir un­ser Le­ben or­ga­ni­sie­ren und wie wir Ge­schäf­te ma­chen. KI kann grund­sätz­lich in je­der Bran­che an­ge­wen­det wer­den. Sie macht die Un­ter­neh­men ef­fi­zi­en­ter. Wenn Sie sich KI als Ma­schi­ne die­ser Re­vo­lu-tion vor­stel­len, so sind die Da­ten der Kraft­stoff. Ne­ben KI und Big Data gibt es aber noch ein paar an­de­re bahn­bre-chen­de Tech­no­lo­gi­en, wie bei­spiels-wei­se Vir­tu­al Rea­li­ty (VR), Er­wei­te­re Rea­li­tät (AR), Gen­tech­no­lo­gie und Block­chain, wo­bei die An­wen­dung von Block­chain-Tech­no­lo­gi­en sehr be­grenzt ist.

Inwiefern ist die Anwendung von Blockchain-Technologien begrenzt?
Bei Block­chain han­delt es sich um eine de­zen­tra­li­sier­te Da­ten­ba­sis. Die De­zen­tra­li­sie­rung geht je­doch auf Kos­ten der Ge­schwin­dig­keit und der Ska­lier­bar­keit. Durch den Tra­de-off ist die­se Tech­no­lo­gie nicht in je­der Bran­che ein­setz­bar. Ihr An­wen­dungs­be­reich liegt im We­sent­li­chen in der Fi­nanz­in­dus­trie. Dort wird sie al­ler­dings enor-me Aus­wir­kun­gen ha­ben. Sie wird die ge­sam­te Bran­che ver­än­dern.

Verliert Europa bei den neuen Technologien den Anschluss an die USA und China?
Der Nähr­bo­den für in­no­va­ti­ve Start-up-Un­ter­neh­men ist in Chi­na und in den USA deut­lich bes­ser als in Eu­ro­pa. In Chi­na und in den USA gibt es bei­spiels­wei­se kaum Da-ten­schutz­vor­schrif­ten. Ich hei­ße das nicht gut, denn ich fin­de den Schutz der per­sön­li­chen Da­ten sehr wich­tig. Un­ter Wett­be­werbs­ge­sichts­punk­ten sind die stren­gen Re­gu­lie­rungs­vor-schrif­ten in Eu­ro­pa aber si­cher­lich ein Nach­teil. Au­ßer­dem pro­fi­tie­ren chi­ne­si­sche und US-ame­ri­ka­ni­sche Start-up-Un­ter­neh­men von enor­men Ka­pi­tal­zu­flüs­sen. Der chi­ne­si­sche Staat hat im Rah­men ei­ner um­fas­sen-den In­no­va­tions- und High­tech-Stra-te­gie enorm viel Ri­si­ko­ka­pi­tal be-reit­ge­stellt. Dies hat si­cher­lich zur Ent­wick­lung der Start-up-Sze­ne bei-ge­tra­gen. In Eu­ro­pa exis­tiert da­ge­gen nicht ein ein­zi­ger KI-Fonds.

Was kann ein Land wie Deutschland tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Datenschutz ist hierzulande ein hohes Gut.
Ob wir es mö­gen oder nicht, wir pro­du­zie­ren Da­ten, je­den Tag und jede Mi­nu­te, über­all und auf je­dem elek­tro­ni­schen Ge­rät. Un­ter­neh­men wie Face­book und Goog­le er­wirt­schaf­ten da­mit rie­si­ge Ge­win­ne. Ich sehe das kri­tisch, gleich­zei­tig bin ich je­doch da­von über­zeugt, dass ein rein re­gu­la­ti­ver An­satz der fal­sche Weg ist. Es ist sehr wich­tig, ei­nen ord­nungs­po­li­ti­schen Rah­men zu schaf­fen, in­so­fern be­grü­ße ich die EU-Da­ten­schutz-Grund­ver­ord­nung (EU-DS­GVO). Je­doch stellt die­ses Ge­setz le­dig­lich Ver­bo­te auf, an­statt An­rei­ze für die Schaf­fung ei­nes ech­ten Da­ten­schutz­re­gimes zu ge­ben. Un­ter­neh­men wer­den im­mer ei­nen Weg fin­den, den Da­ten­schutz zu um­ge­hen, wenn es ih­ren Ge­schäfts­in­ter­es­sen dient.

Wie könnte ein alternativer Ansatz aussehen?
Die Block­chain-Tech­no­lo­gie bie­tet die Chan­ce, ei­nen Markt­platz für per­sön­li­che Da­ten zu schaf­fen. Die­ses Sys­tem wäre si­cher und ef­fi­zi­ent. Dies wür­de die Nut­zer di­gi­ta­ler An­ge­bo­te in die Lage ver­set­zen, die Ho­heit über ihre per­sön­li­chen Da­ten zu­rück­zu­er­lan­gen und ih­ren di­gi­ta­len Fuß­ab­druck zu mo­ne­ta­ri­sie­ren. Es exis­tie­ren be­reits ei­ni­ge Kryp­to-Pro­jek­te, die an ei­nem sol­chen Be­loh­nungs­sys­tem für in­di­vi­du­el­le Da­ten ar­bei­ten. Das Ber­li­ner Un­ter­neh­men Oce­an Pro­to­col ent­wi­ckelt bei­spiels­wei­se ge­ra­de ei­nen de­zen­tra­li­sier­ten Markt­platz, der Nut­zern er­mög­li­chen soll, ihre per­sön­li­chen Da­ten an­onym und si­cher zu ver­kau­fen. Un­ter­neh­men könn­ten die­se Da­ten dann er­wer­ben und für ihre Ge­schäfts­zwe­cke nut­zen. Al­ler­dings soll­te ein sol­cher Markt­platz idea­ler­wei­se im Rah­men ei­ner Pu­blic-Pri­va­te-Part­nership be­trie­ben wer­den und nach stren­gen ethi­schen Richt­li­ni­en aus­ge­rich­tet sein.

„Ich habe oft den Ein­druck, dass die äl­te­re Un­ter­neh­mer­ge­ne­ra­ti­on in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma ‚neue Tech­no­lo­gi­en‘ lie­ber auf die zwei­te und drit­te Ge­ne­ra­ti­on ab­wälzt.“

Jennifer Zhu Scott


Sind Ihrer Einschätzung nach deutsche Familienunternehmer offen für den anstehenden Wandel?
Ich habe oft den Ein­druck, dass die äl­te­re Un­ter­neh­mer­ge­ne­ra­ti­on in Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma „neue Tech­no­lo­gi­en“ eher scheut und die­ses The­ma lie­ber auf die zwei­te und drit­te Ge­ne­ra­ti­on ab­wälzt. Wenn es dann dar­um geht, die­se Tech­no­lo­gi­en in das Un­ter­neh­men zu in­te­grie­ren, wis­sen sie oft nicht, wo sie an­fan­gen sol­len. Dies ist aber kein ty­pisch deut­sches Phä­no­men.

Wie können sich die Unternehmer vorbereiten?
Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer soll­ten da­für sor­gen, dass die Füh­rungs­spit­ze das not­wen­di­ge Know-how be­sitzt, um die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on zu stem­men. Gibt es je­man­den im Lei­tungs­gre­mi­um, der die Po­ten­zia­le von KI und an­de­ren bahn­bre­chen­den Tech­no­lo­gi­en ver­steht und ei­nen Ver­än­de­rungs­pro­zess ein­lei­ten kann? Dar­über hin­aus soll­te je­des Un­ter­neh­men ei­nen klei­nen Be­reich ha­ben, der sich mit zu­kunfts­wei­sen­den In­no­va­tio­nen be­schäf­tigt, die po­ten­zi­ell Aus­wir­kun­gen auf die ei­ge­ne Bran­che ha­ben könn­ten. An­fang des 20. Jahr­hun­derts war Ame­ri­can Lea­ther das größ­te Un­ter­neh­men in den USA. Das Un­ter­neh­men stell­te Le­der­pro­duk­te für Pfer­de her. Es ging plei­te, weil es das wirt­schaft­li­che Po­ten­zi­al des Au­tos falsch ein­ge­schätzt und die da­mit ein­her­ge­hen­den Mög­lich­kei­ten für das ei­ge­ne Un­ter­neh­men nicht er­kannt hat­te.

Welche Rolle wird zukünftig das Thema Nachhaltigkeit für den Erfolg eines Geschäftsmodells spielen?
Für die heu­ti­ge jun­ge Ge­ne­ra­ti­on spielt das The­ma Nach­hal­tig­keit eine viel grö­ße­re Rol­le, als dies bei der El­tern­ge­ne­ra­ti­on der Fall ist – das gilt so­wohl für den Kauf von Pro­duk­ten als auch für die Wahl ih­res Ar­beit­ge­bers. Folg­lich wer­den Un­ter­neh­men, die sich an nach­hal­ti­gen Kri­te­ri­en aus­rich­ten, eine nied­ri­ge­re Mit­ar­bei­ter­fluk­tua­ti­on ha­ben und hö­he­re Ge­win­ne er­wirt­schaf­ten als ihre Kon­kur­ren­ten. Vie­le Un­ter­neh­mer sind aber noch in der al­ten Denk­wei­se ver­haf­tet, dass So­ci­al Im­pact auf Kos­ten der Ren­di­te gehe. Wir be­nö­ti­gen hier drin­gend ei­nen Pa­ra­dig­men­wech­sel. Ich bin da­von über­zeugt, dass in zehn Jah­ren Un­ter­neh­men, die sich we­der um die Um­welt noch um fai­ren Han­del sche­ren, nicht mehr exis­tie­ren wer­den.

In welche Unternehmen investieren Sie?
Vie­le Start-ups, in die wir in­ves­tie­ren, nut­zen Künst­li­che In­tel­li­genz. Da­bei kon­zen­trie­ren wir uns auf den Fi­nanz­sek­tor und auf Un­ter­neh­men, die krea­ti­ve Lö­sun­gen für tra­di­tio­nel­le In­dus­tri­en an­bie­ten. Ob­wohl die­se In­dus­tri­en den Groß­teil der Wirt­schaft aus­ma­chen, fo­kus­sie­ren sich die meis­ten Start-up-Un­ter­neh­men auf an­de­re Be­rei­che. Da­her ver­su­che ich, Un­ter­neh­men aus tra­di­tio­nel­len Bran­chen Zu­gang zu den zu­kunfts­wei­sen­den Tech­no­lo­gi­en zu ver­schaf­fen.

Welche Rolle spielt der Social-Impact-Faktor dabei?
Ich habe größ­ten Re­spekt vor Un­ter­neh­mern, die ihre Zeit und ihr Geld in So­zi­al­un­ter­neh­men in­ves­tie­ren. Ich möch­te mich aber auf Un­ter­neh­men kon­zen­trie­ren, die Geld ver­die­nen, in­dem sie Gu­tes tun. Ich glau­be nicht, dass man mit Al­tru­is­mus weit kommt; Ka­pi­ta­lis­mus und In­cen­ti­vie­rung sind da­ge­gen star­ke Trei­ber.

Die Technologieexpertin

Jen­ni­fer Zhu Scott ist Grün­dungs­part­ne­rin von Ra­di­an Part­ners, ei­ner pri­va­ten In­vest­ment­fir­ma für Fa­mi­ly Of­fices und sehr ver­mö­gen­de Pri­vat­in­ves­to­ren mit Sitz in Hong Kong, die auf die The­men Künst­li­che In­tel­li­genz, Block­chain und er­neu­er­ba­re En­er­gi­en spe­zia­li­siert ist. 2014 ver­trat Jen­ni­fer Zhu Scott als ei­nes von 18 Rats­mit­glie­dern Chi­na beim World Eco­no­mic Fo­rum (WEF) in Da­vos. 2016 wur­de sie vom WEF als ei­nes von 20 Grün­dungs­mit­glie­dern in die Ex­per­ten­grup­pe „The Fu­ture of Block­chain“ be­ru­fen.

Jen­ni­fer Zhu Scott wuchs in Chi­na auf und stu­dier­te An­ge­wand­te Ma­the­ma­tik und Ma­nage­ment an der Uni­ver­si­tät von Si­chuan und der Man­ches­ter Busi­ness School so­wie „Pu­blic Po­li­cy and Lea­dership“ in Yale und an der Har­vard Ken­ne­dy School. Sie sitzt in zahl­rei­chen Auf­sichts­rä­ten und Bei­rä­ten ver­schie­de­ner Un­ter­neh­men, bei­spiels­wei­se bei RNDR (ren­der­to­ken.com). „For­bes“ hat sie im Jahr 2018 zu den „Worl­d’s Top 50 Wo­men in Tech“ ge­zählt.

Info-Icon mit weißem Kopf auf orangefarbenen Hintergrund.

Jen­ni­fer Zhu Scott wird beim Un­ter­neh­mer-Er­folgs­fo­rum am 14. No­vem­ber zum The­ma „Lan­ding Ar­ti­fi­ci­al In­tel­li­gence (AI): Un­lock the Most Power­ful Tool of Our Time“ spre­chen.

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