Das richtige Onboarding

Die kluge Heranführung von Geschäftsführern in Familienunternehmen ist ein vielfach unterschätzter Erfolgsfaktor. von Dr. Hans Schlip­at und Dr. Pe­ter Horn­dasch* Aus der tra­di­tio­nel­len Ein­ar­bei­tung von neu­en Ge­schäfts­füh­rern ist heu­te ein „On­boar­ding“ oder „In­pla­ce­ment“ ge­wor­den. In­halt­lich geht es nach wie vor dar­um, die neue Füh­rungs­per­sön­lich­keit mög­lichst schnell und rei­bungs­frei pro­duk­tiv wer­den und in der Or­ga­ni­sa­ti­on an­kom­men … Weiterlesen

Die kluge Heranführung von Geschäftsführern in Familienunternehmen ist ein vielfach unterschätzter Erfolgsfaktor.

von Dr. Hans Schlip­at und Dr. Pe­ter Horn­dasch*

Aus der tra­di­tio­nel­len Ein­ar­bei­tung von neu­en Ge­schäfts­füh­rern ist heu­te ein „On­boar­ding“ oder „In­pla­ce­ment“ ge­wor­den. In­halt­lich geht es nach wie vor dar­um, die neue Füh­rungs­per­sön­lich­keit mög­lichst schnell und rei­bungs­frei pro­duk­tiv wer­den und in der Or­ga­ni­sa­ti­on an­kom­men zu las­sen. Da­bei kommt es auch auf den Le­bens­zy­klus des Un­ter­neh­mens an. In Wachs­tums- oder Re­struk­tu­rie­rungs­pha­sen wird ein Ein­ar­bei­tungs­plan an­ders aus­se­hen als in der ge­re­gel­ten er­trags­star­ken Nach­fol­ge­be­set­zung. Es gibt kei­ne für alle pas­sen­de Blau­pau­se mit Er­folgs­ga­ran­tie. Ein sys­te­ma­ti­scher On­boar­ding-Pro­zess kann auch für in­ter­ne Füh­rungs­kräf­te, die in eine Ge­schäfts­füh­rungs­rol­le wech­seln, sinn­voll sein. Zwar ken­nen die­se das Un­ter­neh­men schon, aber neue Rol­len be­din­gen neu­es Den­ken und neue Ver­hal­tens­mus­ter im be­kann­ten so­zia­len Bio­top. Nie­mand kann die Leis­tung ei­nes Men­schen in ei­ner für ihn neu­en Rol­le vor­her­sa­gen.

53 Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te emp­fin­den ihre Ein­ar­bei­tung als man­gel­haft.

Auf der Zeit­ach­se be­ginnt der On­boar­ding-Pro­zess be­reits mit der de­tail­lier­ten Be­set­zungs- bzw. Re­kru­tie­rungs­pla­nung. Dazu ge­hört im Kan­di­da­ten­kon­takt die of­fe­ne, ehr­li­che Schil­de­rung der Un­ter­neh­mens­si­tua­ti­on so­wie der Zie­le und Er­war­tun­gen. Spä­tes­tens mit der Un­ter­schrift un­ter den Dienst­ver­trag be­ginnt der for­ma­le On­boar­ding-Pro­zess, der erst dann en­det, wenn nach Mei­nung bei­der Par­tei­en die vor­ge­se­he­ne Rol­le in­halt­lich und per­sön­lich aus­ge­füllt wird und die er­war­te­ten Leis­tungs­bei­trä­ge sta­bil er­bracht wer­den. Das kann nach we­ni­gen Mo­na­ten sein, in Ein­zel­fäl­len und in Ab­hän­gig­keit von der Un­ter­neh­mens­si­tua­ti­on auch erst nach ei­ni­gen Jah­ren.

Die Grün­de für das Schei­tern bei der Ein­glie­de­rung neu­er Füh­rungs­kräf­te sind viel­fäl­tig, sel­ten je­doch fach­li­cher Na­tur. We­sent­lich für das Ge­lin­gen ist die un­miss­ver­ständ­li­che For­mu­lie­rung von Er­war­tungs­hal­tun­gen. Wenn die „blü­hen­den Wie­sen“ sich nach dem Ein­tritt des Ge­schäfts­füh­rers als „brau­ne Step­pe“ er­wei­sen, dann ist er­folg­rei­ches On­boar­ding kein leich­tes Un­ter­fan­gen. Oder wer bei­spiels­wei­se eine pa­tri­ar­cha­li­sche Top-down-Kul­tur als ko­ope­ra­tiv oder par­ti­zi­pa­tiv ver­kauft, darf sich nicht wun­dern, wenn der in par­ti­zi­pa­ti­ven Um­fel­dern so­zia­li­sier­te und dort er­folg­rei­che Ge­schäfts­füh­rer nicht funk­tio­niert. Wer nach 100 Ta­gen ers­te gro­ße Er­fol­ge er­war­tet, darf kei­nen auf Nach­hal­tig­keit aus­ge­rich­te­ten Ma­na­ger re­kru­tie­ren.

WOHL­WOL­LEN, RE­SPEKT, VER­TRAU­ENS­VOR­SCHUSS

Beim On­boar­ding geht es dar­um, dass sich der neue Ge­schäfts­füh­rer und das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men an­ein­an­der ge­wöh­nen. Dies setzt bei al­len Be­tei­lig­ten ein kla­res ge­mein­sa­mes Ver­ständ­nis der Aus­gangs­si­tua­ti­on, der Ziel­set­zun­gen so­wie der „Gos und No-Gos“ eben­so vor­aus wie Wohl­wol­len, Ver­trau­ens­vor­schuss, Re­spekt und Wert­schät­zung im Ta­ges­ge­schäft und dar­über hin­aus. Das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men soll­te den As­si­mi­la­ti­ons­pro­zess nicht nur un­ter­stüt­zen, son­dern auch die  An­ders­ar­tig­keit des neu­en Ge­schäfts­füh­rers als Chan­ce für die ei­ge­ne Wei­ter­ent­wick­lung nut­zen.

Na­tür­lich funk­tio­niert das nicht ohne Rei­bung. Schlimms­ten­falls trifft die „Wir ha­ben das schon im­mer sehr er­folg­reich so ge­macht“-Ein­stel­lung des Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens auf die „In mei­nem al­ten Un­ter­neh­men war al­les pro­fes­sio­nel­ler“-Hal­tung des Ge­schäfts­füh­rers, ge­folgt von Sprach­lo­sig­keit auf bei­den Sei­ten und ei­ner stil­len Es­ka­la­ti­on.

Eine Un­ter­su­chung von Ro­chus Mum­mert, bei der 350 Füh­rungs­kräf­te, 130 Per­so­nal­ma­na­ger und 85 Auf­trag­ge­ber (Ge­sell­schaf­ter, Auf­sichts­rä­te und Ge­schäfts­füh­run­gen) über ihre On­boar­ding-Er­fah­run­gen be­fragt wur­den, zeigt, dass 53 Pro­zent der Füh­rungs­kräf­te ihre Ein­ar­bei­tung als man­gel­haft emp­fan­den. Sie nann­ten un­kla­re/​wech­seln­de Zie­le, man­geln­des ehr­li­ches und zeit­na­hes Feed­back, do­mi­nan­tes Ta­ges­ge­schäft, feh­len­de Of­fen­heit in der Kom­mu­ni­ka­ti­on, man­geln­de Wert­schät­zung und eine an­ders als in den Vor­ge­sprä­chen dar­ge­stell­te Un­ter­neh­mens­si­tua­ti­on als we­sent­li­che Kri­tik­punk­te. Im Ge­gen­satz dazu wa­ren 64 Pro­zent der Auf­trag­ge­ber mit dem On­boar­ding-Pro­zess völ­lig oder mit ver­tret­ba­ren Ein­schrän­kun­gen zu­frie­den.

Wei­te­re Un­ter­su­chun­gen ha­ben ge­zeigt, dass nach ei­ner vier- bis sechs­mo­na­ti­gen Ho­ney­moon-Pha­se, in der man­ches schön­ge­dacht und -ge­re­det wird, oft­mals Er­nüch­te­rung ein­tritt, mit der die Be­tei­lig­ten kon­struk­tiv um­ge­hen soll­ten. Un­spe­zi­fi­sche kul­tu­rel­le Dif­fe­ren­zen füh­ren hier über schwer hand­hab­ba­re Es­ka­la­ti­ons­mus­ter in die Tren­nungs­si­tua­ti­on. Um die­se Her­aus­for­de­rung wis­send, muss das On­boar­ding pro­fes­sio­nel­ler an­ge­gan­gen wer­den als der­zeit in den meis­ten Un­ter­neh­men der  Fall. Aber wie kann das ge­hen?

CHECK­LIS­TE ON­BOAR­DING

  • Vermeiden Sie unklare oder falsche Erwartungen

Sei­en Sie zu je­dem Zeit­punkt of­fen, klar und be­re­chen­bar. Kor­ri­gie­ren Sie Fehl­ein­schät­zun­gen so­fort. Ver­ein­ba­ren Sie

Zie­le und Mei­len­stei­ne und hal­ten Sie nach.

  • Definieren und kommunizieren Sie den Zeitpunkt der „Stabübergabe“ zweifelsfrei

Ver­ste­hen Sie die­sen Ter­min als ver­bind­li­chen Mei­len­stein, aber hand­ha­ben Sie ihn fle­xi­bel, wenn die Si­tua­ti­on es er­for­dert.

  • Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

Nut­zen Sie alle Mög­lich­kei­ten der for­ma­len und in­for­mel­len Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ge­ben Sie ehr­li­ches, kon­struk­ti­ves und zeit­na­hes Feed­back. Ar­bei­ten Sie ak­tiv mit in- und ex­ter­nen „Pa­ten“ und „Men­to­ren“, die Neu­tra­li­tät und Sach­ver­stand ein­brin­gen.

  • Geben Sie dem Kandidaten und der Organisation die Zeit, die es braucht

Ehr­geiz, Brech­stan­ge und 100-Tage-Man­tra sind zwei­fel­haf­te In­stru­men­te. Sor­gen Sie für Sach­kennt­nis und kul­tu­rell ak­zep­tier­tes Ver­hal­ten als Grund­la­ge für wer­ti­ge Ent­schei­dun­gen. Das On­boar­ding ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Kan­di­dat sei­ne Rol­le ei­gen­stän­dig, ver­ant­wort­lich und im Ein­klang mit den Un­ter­neh­mens­wer­ten aus­übt.

  • Definieren Sie Aufgaben und Projekte mit breiter Kontaktfläche

Eine zeit­lich und in­halt­lich be­grenz­te Pro­jekt­ar­beit ist ide­al für das Ken­nen­ler­nen der Or­ga­ni­sa­ti­on, ohne in der Ziel­rol­le schon voll­wer­tig agie­ren zu müs­sen.

  • Vertrauensvorschuss, Respekt, Wertschätzung und wohlwollend-kritischer Dialog

Sei­en Sie mu­tig. Spre­chen Sie über fach­li­che wie per­sön­li­che Er­war­tun­gen, aber auch Be­ob­ach­tun­gen. Spre­chen Sie of­fen über Feed­back aus der Or­ga­ni­sa­ti­on,  ins­be­son­de­re über das der „Tra­di­tio­na­lis­ten“.

  • Achten Sie auf die private Situation des Kandidaten

Hel­fen Sie, ne­ben dem be­ruf­li­chen auch den pri­va­ten Start für Kan­di­dat und Fa­mi­lie er­folg­reich zu ge­stal­ten. In­ter­es­sie­ren Sie sich, bie­ten Sie Un­ter­stüt­zung an, bin­den Sie die Fa­mi­lie in ad­äqua­ter Wei­se ein.

In der Pra­xis fin­den sich un­ter­schied­li­che Phi­lo­so­phi­en. Sie rei­chen vom Sprung ins kal­te Was­ser bis zu ei­nem de­tail­liert ge­plan­ten, aus­ge­roll­ten und nach­ge­hal­te­nen Pro­gramm. Jede Or­ga­ni­sa­ti­on muss ih­ren ei­ge­nen Weg zum Er­folg fin­den. Chris­ti­an Wall­sta­be, ge­schäfts­füh­ren­der Ge­sell­schaf­ter der Wall­sta­be & Schnei­der-Grup­pe, hat gute Er­fah­run­gen mit dem Pa­ten­sys­tem ge­macht, in dem Ma­na­ger der glei­chen Hier­ar­chie­ebe­ne ihre neu­en Kol­le­gen be­glei­ten. Kai Kru­se, ge­schäfts­füh­ren­der Ge­sell­schaf­ter von Hen­ry Kru­se und Vor­stands­vor­sit­zen­der des ige­fa-Han­dels­ver­bun­des, setzt auf eine gründ­li­che, tie­fe sechs­mo­na­ti­ge Ein­ar­bei­tung sei­ner Ge­schäfts­füh­rer: „Wie kann ein Ge­schäfts­füh­rer ohne so­li­de Sach­kennt­nis ver­ant­wor­tungs­vol­le Ent­schei­dun­gen tref­fen und in der Or­ga­ni­sa­ti­on re­spek­tiert wer­den?“, fragt Kru­se. Kath­rin McKen­na, Ge­schäfts­füh­re­rin beim Me­di­zin­tech­ni­ker Hen­ke-Sass, Wolf GmbH, legt Wert auf die in­ten­si­ve Ein­bin­dung der Ge­sell­schaf­ter und al­ler Ge­schäfts­füh­rungs­kol­le­gen in den Ein­ar­bei­tungs­pro­zess des „Neu­en“. „Ge­mein­sa­mes Dis­ku­tie­ren (Work­shops) und Er­le­ben (Kun­den­be­su­che) ver­bin­det“, er­klärt  McKen­na.

Die In­te­gra­ti­on ei­nes neu­en Mit­glieds stellt hohe An­for­de­run­gen an die Aus­wahl, aber auch an den ge­mein­sa­men Ein­glie­de­rungs­pro­zess, der durch­aus ein Jahr dau­ern kann. Hier sehe ich mich auch selbst als Un­ter­neh­mer und CEO ge­for­dert.

Markus Benz, Familiengesellschafter und CEO beim Möbelhersteller Walter Knoll

Mar­kus Benz, Fa­mi­li­en­ge­sell­schaf­ter und CEO beim Mö­bel­her­stel­ler Wal­ter Knoll, er­gänzt: „Für mich sind die Zu­sam­men­ar­beit im Füh­rungs­team und die Übe­rein­stim­mung in Grund­wer­ten von gro­ßer Be­deu­tung. Die In­te­gra­ti­on ei­nes neu­en Mit­glieds stellt hohe An­for­de­run­gen an die Aus­wahl, aber auch an den ge­mein­sa­men Ein­glie­de­rungs­pro­zess, der durch­aus ein Jahr dau­ern kann. Hier sehe ich mich auch selbst als Un­ter­neh­mer und CEO ge­for­dert.“

In wel­cher Form und Aus­prä­gung auch im­mer, die Be­deu­tung ei­nes pro­fes­sio­nell ge­stal­te­ten On­boar­ding-Pro­zes­ses wird ge­ra­de in mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men deut­lich zu­neh­men. Weil das Ge­schäft im­mer kom­ple­xer wird, ent­steht im­mer mehr die Not­wen­dig­keit, Füh­rungs­kräf­te aus grö­ße­ren Un­ter­neh­men auf­zu­neh­men. Die kul­tu­rel­le As­si­mi­la­ti­ons­fä­hig­keit wird da­mit zum Lack­mus­test für die Über­le­bens­fä­hig­keit man­cher Or­ga­ni­sa­ti­on.

*Dr. Hans Schlipat ist Ma­na­ging Part­ner bei Ro­chus Mum­mert, Dr. Peter Horndasch ist Part­ner bei Ro­chus Mum­mert.

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