02.09.2024 - Highlight, Nachfolge, News, Publikationen
Der Fremdmanager geht, die Familie kommt
Der Schritt, einen externen CEO zu berufen, ist sehr verbreitet. Aber es gibt auch einen Weg zurück, wie die Bossard AG und andere Familienunternehmen zeigen. Von Axel Gloger* Haniel wird schon seit vielen Jahren von einem familienfremden CEO geführt, ebenso die Keksmarke Griesson-de Beukelaer. Dr. Oetker ist seit 2016 nach Generationen familiärer Führung erstmals mit … Weiterlesen
Der Schritt, einen externen CEO zu berufen, ist sehr verbreitet. Aber es gibt auch einen Weg zurück, wie die Bossard AG und andere Familienunternehmen zeigen.
Von Axel Gloger*
Haniel wird schon seit vielen Jahren von einem familienfremden CEO geführt, ebenso die Keksmarke Griesson-de Beukelaer. Dr. Oetker ist seit 2016 nach Generationen familiärer Führung erstmals mit einem Familienfremden an der Spitze unterwegs, ebenso Bohrhammer-Hersteller Hilti und seit Kurzem auch die Wurstmarke Rügenwalder Mühle, die mit dem Wechsel zur siebten Generation Anfang des Jahres auf dieses Format umstellte.
Erst führt die Familie, dann folgt der Übergang, Familienfremde werden in das Spitzenamt gehoben – das scheint ein Entwicklungsschritt zu sein, der weit verbreitet ist. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich. Mal kommt die Familie bei der Frage „Wer ist der beste Kandidat für die Firmenspitze?“ nicht zum Zuge, weil Willige und Fähige aus dem eigenen Kreis fehlen, mal ist es eine Selbstregulierung: Um Neid und Eifersucht zu unterbinden, verpflichten sich viele große und alte Clans bewusst, die Familie im Sinne guter Governance aus dem Operativen herauszuhalten.
Aus dem Fremdmanagement gibt es immer auch einen Weg zurück.
Prof. Dr. Peter May
Weit weniger diskutiert ist die Gegenrichtung: Der Fremdmanager geht, die Familie kommt zurück. Das ist etwa beim Chocolatier Läderach der Fall. Nach einer 14-jährigen Übergangsperiode steht wieder ein Namensträger zur Verfügung: Im März 2018 rückte Johannes Läderach in das Spitzenamt auf. Auch beim Fruchtgummihersteller Katjes-Fassin war das so: Als Inhaber Klaus Fassin aufhören wollte, hatte sein Sohn Bastian Fassin gerade sein Abitur in der Tasche – zu jung für die Rolle an der Spitze. Der Vater gab ihm die Zeit für Ausbildung und Bewährung, berief einen Familien externen in die Geschäftsführung, der das Haus so lange bestellte, bis der Filius 2004 für die Nachfolge bereit war. Seither ist das Familienmitglied Co-CEO von Tobias Bachmüller, dem Familienfremden.
Diese Fälle aus der Praxis zeigen: Das von mancher Inhaberfamilie gefürchtete Format „einmal Fremdmanagement – immer Fremdmanagement“ gibt es in der Form nicht. Der Weg zur Führung durch Familienexterne ist, wie die Beispiele belegen, keine Einbahnstraße. „Es gibt immer einen Weg zurück“, sagt INTES-Gründer Peter May, „die Einsicht, dass Fremdmanagement ein reversibles Element unternehmerischer Gestaltung ist, sollte jeder Unternehmerfamilie bewusst sein.“
Mitglieder der Familie haben keinen automatischen Anspruch auf ein Spitzenamt.
Daniel Bossard
Auch Bossard nutzt diese Idee. Dort wurde gerade die Rückkehr der Familie an die operative Firmenspitze eingeleitet – als durchdachter und gründlich vorbereiteter Prozess: Anfang des Jahres gaben die Familie und die Bossard-Gruppe bekannt, dass Daniel Bossard als Familienmitglied der siebten Generation die Leitung des Zuger Unternehmens übernimmt. Umgesetzt wird dieser Beschluss im April 2019 – genug Zeit, dass sich alle Stakeholder auf den Wechsel einstellen können. Zum gleichen Zeitpunkt wird David Dean, der über 15 Jahre bewährte externe CEO des Verbindungstechnik-Anbieters, in den Verwaltungsrat wechseln.
Auslöser dieser Entwicklung war ein Anstoß von außerhalb der Familie. „Unser CEO, heute 59, hat darum gebeten, sein Engagement nicht über 2019 hinaus zu verlängern“, sagt der designierte Firmenchef. „Das hat uns zunächst überrascht. Jetzt nutzen wir den Impuls als Chance.“
So richtig bereit für den Wechsel war Bossard junior eigentlich noch nicht, als ihn die Nachricht von Deans Demission erreichte, hatten doch alle damit gerechnet, dass der bewährte CEO noch eine Amtszeit weitermacht. Aber inhaltlich vorbereitet ist Daniel Bossard reichlich – er wirkte bereits seit der Jahrtausendwende im Unternehmen, unter anderem als Geschäftsführer des Dänemark-Geschäfts, Verkaufsstratege und zuletzt seit 2009 als Leiter der Region Nord- und Osteuropa.
Das machte ihn zum Kandidaten für das Amt des Firmenchefs – womit er Teil des Auswahlverfahrens wurde, das der Verwaltungsrat (VR) durchführte. Diesem Gremium oblag, dem Firm-First-Gedanken folgend einen neuen Firmenchef zu küren. „Wir haben hier einen hohen Anspruch professioneller Governance. In der Familiencharta ist festgehalten, dass Mitglieder der Familie keinen automatischen Anspruch auf ein Spitzenamt haben“, sagt Bossard. Der VR, mit nicht operativ tätigen Familienmitgliedern und Externen besetzt, begab sich zunächst auf Kandidatenschau. Es wurden sowohl Familienfremde als auch Familienmitglieder auf eine Longlist möglicher Amtsnachfolger gesetzt. Das gebietet der Anspruch professioneller Suche, Auswahl und Besetzung. Ein Familienmitglied winkte schon im Vorfeld ab – kein Interesse. Daniel Bossard stand als Einziger aus der Familie auf der Liste.
ÜBERZEUGENDE LOGIK DES HARTEN AUSWAHLVERFAHRENS
Er durchlief das vom VR installierte Auswahlverfahren, denselben Prozess, dem sich auch die externen Kandidaten stellen mussten. Ein Personalberater checkte Vita und Kompetenzen, führte als neutrale Stimme ein Assessment durch. Im Anschluss wurde Bossard durch den Aufsichtsrat gegrillt: „Ich habe eine dreistündige Präsentation mit Diskussion zum Thema ‚Bossard 2025‘ gehalten.“ Bei einem zweiten Anlass wurde im gleichen Rahmen ein Internationalisierungsthema mit dem Kandidaten diskutiert. Sodann folgte ein Format, das Bossard „heißer Stuhl“ nennt. Über zwei bis drei Stunden beantwortete er Fragen zu Person, Motivation und Werthaltung.
Ein Spaziergang war das nicht – der VR schickte alle Kandidaten über eine harte Prüfstrecke. „Anfangs fand ich es lästig. Ich dachte: Warum das alles? Die VR-Mitglieder kennen mich doch aus meiner langjährigen Mitarbeit in der Linie“, sagt der heute 48-Jährige im Rückblick. Erst im Nachhinein sei ihm klar geworden, wie sinnhaft das Verfahren aus der Sicht der Firma war. „Ich kann jetzt mit gutem Gewissen sagen, dass ich die professionellen Anforderungskriterien erfülle.“ Das gibt dem Nachfolger aus der Familie Sicherheit, auch in der Kommunikation nach außen. Zudem schützt es das Unternehmen vor Gerede und Gerüchten. Mit dem harten Auswahlprozess ist all jenen der Wind aus den Segeln genommen, die sonst gesagt hätten: Ach, der Nachfolger aus dem Kreis der Familie, das sei doch ohnehin klar gewesen. Die Bossard AG ist seit 1987 an der Börse – und externe Aktionäre wissen es zu schätzen, wenn die oberste Führung mit dem Besten besetzt wird, frei von Sentimentalitäten der Familie gegenüber dem Unternehmen.
FAMILIENMITGLIED-CEO VERMEHRT DAS VERTRAUEN
Der lange Vorlauf bis zum Antritt gibt Daniel Bossard wie auch dem gesamten Unternehmen die Gelegenheit, sich auf den Wechsel einzustellen. „Das ist eine Übergangsphase. Ich nutze die Gelegenheit, hier und da noch dazuzulernen“, sagt der designierte Firmenchef aus der Familie. Er sieht den Wechsel auch als Chance für das international wachsende Unternehmen. „Ein Familienmitglied an der Spitze ist ein starkes Statement.“ Da komme einer, für den der Einsatz nicht, wie in manchem anderen Unternehmen, eine maximal fünf Jahre andauernde Einmalangelegenheit eines leitenden Angestellten sei. „Ganz im Gegenteil, das ist eine sehr langfristige Sache mit Strahlkraft.“
Gegenüber den Kunden schaffe das Familienmitglied an der Spitze zusätzliches Vertrauenskapital. Hin und wieder könne das auch Türen öffnen, wenn sich der Namensträger persönlich kümmerte. Schon heute, noch vor dem Wechsel, sei der Zuwachs an Wertschätzung erkennbar. „In Osteuropa sowie im asiatischen Raum ist die Rolle des Familienunternehmers wichtig. Besonders in Indien wird es sehr geschätzt, wenn sich ein Inhaber-Unternehmer persönlich einsetzt“, sagt Daniel Bossard.
*Axel Gloger ist Wirtschaftsjournalist und schreibt u.a. für den INTES UnternehmerBrief.
DAS UNTERNEHMEN BOSSARD AG
Bossard wurde im Jahr 1831 als Eisenhandlung von Johann Franz Kaspar Bossard in Zug gegründet, wo das Unternehmen bis heute seinen Hauptsitz hat. Sein Geschäft ist industrielle Verbindungstechnik (z.B. Schrauben, Dübel und Nieten) mit den dazugehörigen Logistik- und Engineeringleistungen für die Kunden. Umsatz: 786 Mio. CHF. Mitarbeiterzahl: 2.300 weltweit.
- Heute sind drei Angehörige der 7. Generation im Unternehmen tätig. Daniel Bossard, geboren 1970, wird im April nächsten Jahres sein Amt als CEO antreten. Die Familie umfasst 41 Mitglieder, die 21 Teilhaber aus deren Kreis sind mit einem Anteil von 17 Prozent der Ankeraktionär und haben 51 Prozent der Stimmrechte. Das Unternehmen ist seit dem Jahr 1987 börsennotiert, 83 Prozent der Anteile befinden sich im Freefloat.
- Das Unternehmen wurde ab 2004 von einem familienfremden Spitzenmanager geführt. Dem vorausgegangen waren zwei für Familie wie Unternehmen gleichermaßen tragische Ereignisse. 2001 kam Verwaltungsratspräsident Peter Bossard, damals 63, bei einem Attentat im Zuger Kantonsparlament ums Leben. Nur drei Jahre später wurde sein Bruder, und CEO Heinrich Bossard, damals 61, auf einer Ferienreise in Neuseeland Opfer des Absturzes eines Kleinflugzeugs.
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