02.09.2024 - Highlight, Nachfolge, News, Publikationen
Derzeit zu wenige Frauen in der Geschäftsführung von Familienunternehmen!
Definitiv zu wenig! Auch heute noch: Nur 13,6 Prozent der 500 größten Familienunternehmen in Deutschland haben eine Frau in der Geschäftsführung. Jetzt ist die Next Generation gefragt: Sie muss die Unternehmen auch in diesem Punkt in die Neuzeit holen und fit für die Zukunft machen. von Dominik von Au Die Einführung einer Frauenquote für die … Weiterlesen
Definitiv zu wenig!
Auch heute noch: Nur 13,6 Prozent der 500 größten Familienunternehmen in Deutschland haben eine Frau in der Geschäftsführung. Jetzt ist die Next Generation gefragt: Sie muss die Unternehmen auch in diesem Punkt in die Neuzeit holen und fit für die Zukunft machen.
von Dominik von Au
Die Einführung einer Frauenquote für die Vorstände von Unternehmen an der Börse und solchen, die der Mitbestimmung unterliegen, ist beschlossene Sache. Ein wichtiges und richtiges Signal. Denn Frauen sind Denkerinnen, Lenkerinnen, Entscheidungsträgerinnen und Gesprächspartnerinnen auf Augenhöhe! Wieso sollten wir einen Unterschied in Sachen Einfluss, Sichtbarkeit und Gerechtigkeit machen? Dass wir im Jahr 2020 noch die Frage stellen, warum es mehr Frauen in Führungspositionen braucht, darf wirklich nicht sein. Hoffentlich rüttelt dieses Signal auch die Familienunternehmer wach, denn auf dem Vormarsch sind hier die Chefinnen ebenso wenig, wie unlängst der Bericht der Allbright-Stiftung belegt: Danach haben nur 29 der Top-100 Familienunternehmen mindestens eine Frau in der Geschäftsführung. Das sitzt.
70 Prozent der männlichen NextGens streben eine CEO-Position an, aber nur rund 30 Prozent der weiblichen NextGens.
Ich wollte es genauer wissen und habe mit der Unterstützung von PwC und INTES die Top-500-Familienunternehmen in Deutschland analysiert, vermutend, dass bei abnehmender Unternehmensgröße die Quote besser wird. Dem war nicht so. Zwar kenne ich einige frauengeführte Unternehmen – und viele weibliche NextGens, die in den Startlöchern stehen, sehr gut. Aber sie sind wohl leider nicht repräsentativ. Die Ergebnisse unserer Untersuchung sind eindeutig, und leider vernichtend: Lediglich 13,8 Prozent der Top-500-Familienunternehmen haben mindestens eine Frau in der operativen Führung. Anders gesagt: 9 von 10 der 500 größten Familienunternehmen in unserem Land haben keine einzige Frau in der Führung. Das ist kein „Schönheitsfleck“! Mittelstand im Mittelalter?
Jedoch: Es gibt die begründete Aussicht darauf, dass sich an diesem Ungleichgewicht in den kommenden Jahren etwas ändert. Ausschlaggebend dafür ist der Blick auf die NextGens: Jetzt zieht es die weiblichen Nachfolger in Familienunternehmen immer stärker in die Verantwortung. Das ergab die globale NextGen-Studie 2019 von PwC, an der nahezu 1.000 NextGens (darunter ein Drittel Frauen) teilnahmen. Ob Frau oder Mann, rund 81 Prozent von ihnen streben grundsätzlich eine – wie auch immer ausgekleidete – führende Rolle im Familienunternehmen an. Das gilt für die globale Auswertung, aber auch für die Befragung unter deutschen NextGens. Die jüngsten Untersuchungen der Stiftung Familienunternehmen und des Wittener Instituts für Familienunternehmen zur weiblichen Nachfolge weisen ebenfalls in diese Richtung. Allerdings fanden die Autoren auch heraus, dass Frauen vor allem in kleineren und jüngeren Unternehmen in die Führung rücken. Was muss also passieren, damit einerseits diese Bewegung größer wird und andererseits auch große Familienunternehmen auf die Frauenpower setzen?
Spannende Frage, auch vor dem Hintergrund eines anderen Ergebnisses unserer Befragung: Mit Blick auf die kommenden sieben Jahre wollen nach unserer PwC/INTES-Untersuchung über 70 Prozent der männlichen NextGens ganz konkret in eine CEO-Position, aber nur rund 30 Prozent der weiblichen. Will heißen: Die Frauen sehen sich tendenziell eher in der Rolle der aktiven Gesellschafterin mit einer Rolle im Aufsichtsgremium. Bleibt die Frage, ob sie in der Position einer Beirätin oder Aufsichtsrätin auf mehr Frauen in der Geschäftsführung hinwirken werden. Ich bin da sehr zuversichtlich. Denn es gibt eben mehrere Wege, Verantwortung im Familienunternehmen zu übernehmen. Das ist einer davon. Auch in den Aufsichtsgremien sind Frauen in einer guten Position, maßgeblich mitzubestimmen, fallen doch in diesen Gremien oft die obersten Personal- und grundsätzlichen Strategieentscheidungen.
Bei allem Optimismus, ein paar Sorgenfalten bleiben auch bei mir: Denn einige NextGen-Frauen trauen sich die Chef-Aufgabe tatsächlich immer noch weniger zu. So haben sie deutlich häufiger als die Männer das Gefühl, sich erst beweisen zu müssen, bevor sie sich verstärkt einbringen dürfen: „Ich muss die Betriebsabläufe besser verstehen, bevor ich Änderungen vorschlagen kann“, ist eine Aussage, der 25 Prozent der Frauen, aber nur 6 Prozent der Männer in der Erhebung für Deutschland zustimmen. Ähnliches gilt für die Aussage: „Ich muss mich erst noch beweisen, bevor ich meine Ideen für Veränderungen platziere.“ Dem stimmen in Deutschland 38 Prozent der Frauen, aber nur 12 Prozent der Männer zu. Indizien dafür, dass Frauen mitunter ihr Fachwissen geringer einschätzen. So sind sie auch weniger offensiv beim Einbringen von Vorschlägen.
Gefordert sind die Väter und Brüder, die ihre Töchter und Schwestern nicht nur zur Übernahme von Verantwortung ermutigen, sondern diese auch teilen!
Ich frage mich, weshalb das immer noch so ist. Besonders die weiblichen NextGens bringen schon heute dermaßen viele Eigenschaften mit, die schlichtweg Voraussetzung sind für eine neue zeitgemäße Art der Führung: Als& Generation-Z-Vertreterinnen sind sie mit dem „Permanent Change“ groß geworden. Und sie haben keine Angst vor Veränderungen. Im Gegenteil, sie stehen drauf! Sie sind technologieaffin und netzwerkstark. Sie sind Teamplayer und wollen agile Organisationsformen. Denn so sind sie geprägt.
Zahlreiche Studien zeigen bereits jetzt, dass vor allem die geschlechterspezifische Diversität den Unternehmenserfolg positiv beeinflusst und ein kommunikativer, kooperativer Führungsstil, wie ich ihn bei Nachfolgerinnen vielfach erlebe, das Unternehmen spürbar vorantreibt. Frauen bringen nun einmal andere Problemlösungsstrategien und andere Arten von Kollaboration als Männer mit an den Tisch. Oftmals decken sie genau die Aspekte ab, die in der digitalen Transformation konkret gefordert sind. Hier werden besonders die weiblich geprägten Umgangsformen mit Agilität und Innovationsfähigkeit zur spielentscheidenden Größe. Ganz abgesehen davon, dass Frauen den anderen Blick auf die „Drivers of Change“ haben: Laut der PwC-NextGen-Umfrage sehen 88 Prozent der Männer neue Technologien als den wesentlichen Treiber für Veränderungen, aber nur 50 Prozent der Frauen. Dagegen halten 50 Prozent der Frauen soziale und umweltbezogene Trends für ausschlaggebend, aber nur 29 Prozent der Männer (bezogen auf die Erhebung für Deutschland). Auch in diesem Sinne: Let’s team up!
Die Bewegung braucht Bühnen und Sichtbarkeit
Es muss noch viel passieren, damit der zaghafte Trend zu mehr Frauen in der Führung von Familienunternehmen zur regelrechten Bewegung wird. Vor allem sollte er nicht dadurch gebremst werden, dass sich zu wenige Frauen die Rolle echt zutrauen, in der sie sich im Grunde sehen. Hier ist das vorbildhafte Vorangehen derer, die sich schon getraut haben, hilfreich. Unterstützt werden sollte ihre Sichtbarkeit auch dadurch, dass sich viel mehr weibliche CEOs raus ins Rampenlicht wagen; klar und deutlich und in den Medien genauso wie auf den vielfältigen Veranstaltungen. Anders als in der Start-up-Szene gibt es bei den arrivierten Familienunternehmen nämlich immer noch sehr wenige bühnenaffine Frontfrauen. Sie werden gesucht, vor allem auch NextGen-Familienunternehmerinnen, die neben ihrer fachlichen Expertise lautstärker für die mehr als angezeigte Diversität eintreten. Die sich auf die Podien setzen, Interviews geben, in der Öffentlichkeit präsent sind.
Vom Umdenken zum Umhandeln
Was wir jetzt brauchen: mehr Selbstbewusstsein, mehr Rollen-Vorbilder,mehr Netzwerke. Und vor allem eine andere Wahrnehmung. Die derzeitige Frauenquote in der Führung bei Familienunternehmen ist kein Versehen, sondern hat System! Dabei sollten natürlich nicht allein die Frauen ihre Einstellungen überprüfen, sondern besonders die Männer, und zwar diejenigen, die in Führungspositionen sind, genauso wie die, die über deren Besetzung mitbestimmen. Gefordert sind die Väter und Brüder, die ihre Töchter und Schwestern nicht nur zur Übernahme von Verantwortung ermutigen,sondern diese auch teilen. Und die Strukturen so anlegen,dass Diversität zugelassen und aktiv gefördert wird. Lasst uns das überkommene „Es kann nur den einen geben“-Denken der Elterngeneration bewusst und hörbar ablegen.
Und bitte keine Patriarchen mehr, die behaupten, Unternehmensführung und Familiengründung passten nicht zusammen! Insbesondere die operativ tätigen Inhaberinnen können bis auf Weiteres beides viel leichter kombinieren als die weiblichen Angestellten in klassischen Managementjobs. „Durch ihre machtvolle Position ist es für die Familien ein Leichtes, ihre Unternehmen hier schnell als Vorbilder an die Spitze zu bringen – sie müssen nur die strategischen Vorteile erkennen“, analysieren die Autoren der AllBright-Untersuchung.
Ja, die Frauen sollten öfter „einfach mal machen“. Können tun sie es allemal. Nur hinterfragen sie bisweilen immer noch zu stark, ob sie auch „dürfen“. Ja, mehr als das: „Ihr solltet, ihr müsst sogar!“, ist meine Antwort. Ich würde mir wünschen, dass die Familienunternehmer nun auch hier vorangehen und Farbe bekennen. Die NextGen kann der treibende Faktor sein und den Prozess der Veränderung aktiv mitgestalten. Die Nachfolgerinnen und Nachfolger besitzen die Fähigkeit zur schonungslosen Selbsterkenntnis und den Mut, in der Vergangenheit Bewährtes in Frage zu stellen und die notwendigen Veränderungen gegen Widerstände durchzusetzen. Sie hat in meinen Augen längst verstanden, dass es ohne Diversität keine Zukunft gibt.
Dr. Dominik von Au ist Geschäftsführer der INTES Akademie für Familienunternehmen und verantwortlicher Partner bei PwC für den Bereich Family Governance Consulting
https://www.linkedin.com/in/dr-dominik-von-au-10b1915/
Der Text ist im INTES – UnternehmerBrief Ausgabe 02/2020 erschienen.
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