Die Brita-Story

Markus Hankammer, CEO und Inhaber bei Brita, schaut auf eine gelungene Nachfolge zurück. Ein Einblick und Rückblick. von Axel Glo­ger* Papa tritt eine wei­te Rei­se an, es geht nach Chi­le. Er be­sucht sei­nen Sohn, Mar­kus Han­kam­mer. Der war als Ruck­sack­tou­rist ins Land ge­kom­men – und blieb, weil es ihm so gut ge­fiel. Für das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men … Weiterlesen

Markus Hankammer, CEO und Inhaber bei Brita, schaut auf eine gelungene Nachfolge zurück. Ein Einblick und Rückblick.

von Axel Glo­ger*

Papa tritt eine wei­te Rei­se an, es geht nach Chi­le. Er be­sucht sei­nen Sohn, Mar­kus Han­kam­mer. Der war als Ruck­sack­tou­rist ins Land ge­kom­men – und blieb, weil es ihm so gut ge­fiel. Für das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men hat­te er am an­de­ren Ende der Welt den Ver­trieb auf­ge­baut. Eine Art Start-up. „Der Buch­hal­ter und ich“, so be­schreibt der  Spross aus der zwei­ten Han­kam­mer-Ge­ne­ra­ti­on das Team.

Va­ter Heinz Han­kam­mer kommt mit ei­ner ge­wich­ti­gen Bot­schaft: „Willst du Bri­ta füh­ren, in die Nach­fol­ge ein­tre­ten?“ Für die Ant­wort muss der Ju­ni­or, da­mals 26 Jah­re, nicht lan­ge über­le­gen. „War­um ei­gent­lich nicht?“, sagt der Sohn. Sein BWL-Di­plom hat er vor vier Jah­ren ge­macht, den Plan für sein wei­te­res Wer­den gibt es noch nicht. Nur so viel ist ihm nach zwei Jah­ren im Süd­ame­ri­ka-Ge­schäft klar: „Ja, ich kann das. Es macht Spaß.“ Aus die­sem Ja wird auch ein Ja auf Pa­pas Fra­ge – und er sagt ein drit­tes Mal „Ja“, als Papa fragt, ob er auch per so­fort zu­rück an den Stamm­sitz kom­men kön­ne. Zu­vor hat­te Heinz Han­kam­mer sich sei­nen ei­ge­nen Plan ge­macht. „Ich will nicht mehr ewig am Ru­der blei­ben. Oft ge­nug habe ich ge­se­hen, dass das schief­ge­hen kann.“

„Uns war klar: Wir kön­nen das nicht al­lein lö­sen.“

Markus Hankammer

So spiel­te sich das vor 23 Jah­ren ab, als die Nach­fol­ge bei der Bri­ta GmbH ein­ge­fä­delt wur­de. Heinz Han­kam­mer, Typ en­er­gi­scher Grün­der, hat­te das Ge­schäft 1966 auf Kiel ge­legt und sann jetzt nach Ab­lö­sung. Er hol­te da­mals auch Bri­ta Han­kam­mer mit ins Boot. Mar­kus’ äl­te­re Schwes­ter hat­te wie er BWL stu­diert, an­schlie­ßend eine PR-Aus­bil­dung ge­macht. Da­mit schien das Team für die zwei­te Ge­ne­ra­ti­on kom­plett. Was zu die­sem Zeit­punkt noch kei­ner ahnt: Die Ar­beit am The­ma „Nach­fol­ge“ hat ge­ra­de erst an­ge­fan­gen. Sie wird die Fa­mi­lie noch über Jah­re in Atem hal­ten.

Heu­te, mit dem zeit­li­chen Ab­stand, kann Mar­kus Han­kam­mer die gan­ze Ge­schich­te er­zäh­len. Der hoch­ge­wach­se­ne 49-Jäh­ri­ge mit Hips­ter­b­art und Den­ker­bril­le sitzt ent­spannt in sei­nem Büro. Jeans, Ja­ckett, hell­blau­es Hemd, kei­ne Kra­wat­te. So auf­ge­räumt wie sein Büro mit aus­la­den­dem, wei­ßem Schreib­tisch und ei­ner So­fa­ecke, die auch in ei­nem Co­wor­king Space in Ber­lin ste­hen könn­te, ist die gan­ze Fir­men­zen­tra­le. Die Bil­der, die das pro­du­ziert, spre­chen eine kla­re Spra­che: in der Jetzt­zeit zu  Hau­se, fo­kus­sier­tes Ge­schäft. Die Bri­ta GmbH ist Hi­d­den-Cham­pi­ons-Liga, Welt­markt­füh­rer für Was­ser­fil­ter.

Der Einsatz des Beraters war unabdingbar

Zu Be­ginn des Nach­fol­ge-Pro­zes­ses steht bei den Ge­schwis­tern Han­kam­mer die­se Fra­ge im Raum: „Wer führt künf­tig das Un­ter­neh­men und un­ter wel­chen Be­din­gun­gen?“ Bei­de sind für alle Ant­wor­ten of­fen; wis­sen, dass es ei­ni­ge The­men von Ge­wicht gibt. Wie die An­tei­le­an der Fir­ma neu zu ver­tei­len sind und wie man Heinz Han­kam­mer zu ei­nem von der Fir­ma un­ab­hän­gi­gen Ver­mö­gen ver­hel­fen kann,sind nur zwei von vie­len wei­te­ren Fra­gen.

Der Weg zu ei­ner Lö­sung schien den bei­den über qua­li­fi­zier­te Be­ra­tung zu füh­ren. Sie klopf­ten bei Pe­ter May an. Der hat­te das Ge­schäft bei Brun-Ha­gen Hen­ner­kes ge­lernt, die fa­mi­li­en­ei­ge­nen May-Wer­ke ei­ni­ge Jah­re ge­führt – und sich mit sei­ner IN­TES ge­ra­de selbst­stän­dig ge­macht. So wur­de die Eig­ner­fa­mi­lie der Bri­ta GmbH zu ei­nem der IN­TES-Kun­den der ers­ten Stun­de. „Wir wuss­ten, dass er gut struk­tu­rie­ren kann und über Er­fah­rung in den mit un­se­rem ver­gleich­ba­ren Fäl­len ver­fügt“, sagt Mar­kus  Han­kam­mer über ihre Wahl. Va­ter Heinz wäre das Vor­ha­ben ger­ne ohne Be­ra­ter an­ge­gan­gen – aber die Nach­fol­ger se­hen das an­ders: „Uns war klar: Wir sind Be­trof­fe­ne mit Emo­tio­nen, Hoff­nun­gen, Er­war­tun­gen. Wir kön­nen das nicht al­lein lö­sen.“

Mit Pe­ter May er­ar­bei­te­te die Fa­mi­lie zü­gig den for­ma­len Rah­men, den jede Überg­a­be braucht. „Mal tra­fen wir uns in der Fir­ma, mal bei den El­tern, mal am neu­tra­len Ort“, er­in­nert sich der Ju­ni­or. Für ihn sei es im Rück­blick wich­tig ge­we­sen, dass May über sein Netz­werk von IN­TES wei­te­re Ex­per­ten ein­brin­gen konn­te – Rechts­an­wäl­te und Steu­er­fach­leu­te etwa, die The­men aus die­sen Be­rei­chen si­cher dar­stel­len konn­ten.

So wur­den im Spar­ring mit IN­TES Eck­punk­te ei­ner Nach­fol­ge-Re­ge­lung er­ar­bei­tet. Grün­der Heinz Han­kam­mer be­en­de­te sei­ne 100-Pro­zent-Ei­gen­tü­mer­schaft der Bri­ta GmbH. Die An­teils­mehr­heit wird auf Bri­ta und Mar­kus Han­kam­mer über­tra­gen, gleich­zei­tig bleibt ein Teil des Rechts zum Be­zug der Aus­schüt­tun­gen beim Se­ni­or („Nieß­brauch­recht“). Über­dies wur­de das Ei­gen­tum an Fir­men­ge­bäu­den über Ver­kauf und Zu­rück­mie­te an das Grün­der­ehe­paar über­führt. „Auf die­se Wei­se ha­ben wir mit der Un­ter­stüt­zung von Pe­ter May ei­nen Mei­len­stein ge­setzt. Der hat die Be­din­gun­gen da­für ge­schaf­fen, dass mein Va­ter über­haupt los­las­sen konn­te“, sagt Mar­kus Han­kam­mer. Er ist froh, dass die­se Sei­te sei­nes Pro­jekts „Nach­fol­ge“ zü­gig ab­ge­ar­bei­tet wer­den konn­te. „Wir ha­ben 1998 be­gon­nen, ein Jahr spä­ter war das er­le­digt.“

Es war um die­se Zeit, als das Fahr­was­ser für die Fir­ma Bri­ta be­droh­lich un­ru­hig wird. „Mar­gen­kri­se, drü­cken­de Bank­schul­den, emo­tio­na­le Tur­bu­len­zen im Zuge des Ge­ne­ra­ti­ons­wech­sels“, fasst Mar­kus Han­kam­mer zu­sam­men, was für die nächs­ten zwei Jah­re die Agen­da der Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie be­stimm­te. Heu­te kann der Bri­ta-Fir­men­chef über die­se Zeit ge­las­sen be­rich­ten – die Ge­schich­te nahm ei­nen gu­ten Aus­gang. Wer ihm gut zu­hört, be­merkt, dass ihm die Sa­che im­mer noch na­he­geht. Sein Sprechtem­po steigt, in sei­ner Rede steckt mit ei­nem Mal so viel En­er­gie, als wür­de er von ei­nem pa­cken­den Film­dra­ma er­zäh­len, das er ges­tern im Kino ge­se­hen hat – nur mit ei­nem Un­ter­schied: Mar­kus Han­kam­mer und die Sei­nen wa­ren selbst Teil der Hand­lung.

Markus Hankammer, CEO BRITA

Emotionen zulassen

Denn nach­dem die for­ma­le Sei­te der Nach­fol­ge ab­ge­ar­bei­tet ist, zeigt sich: Da kom­men Emo­tio­nen hoch. Heinz Han­kam­mer hat­te im­mer die Rol­le ge­lebt, die land­läu­fig als „Voll­blut-Un­ter­neh­mer“ be­schrie­ben wird. In sei­ner ak­ti­ven Zeit er­zähl­te der Grün­der gern, wie er an­fing, den ame­ri­ka­ni­schen Markt auf­zu­bau­en. Er fährt in die USA, nimmt  die Pro­vinz zum Ziel, stellt dort im Su­per­markt ein Tisch­chen hin, baut die Bri­ta-Pro­duk­te auf – und ver­wi­ckelt Haus­frau­en ins Ge­spräch über sei­ne Was­ser­fil­ter. So ei­ner kann nicht ein­fach im Kopf auf „Nach­fol­ge“ um­schal­ten und sich von ei­nem Tag auf den an­de­ren zu­rück­zie­hen. Zwar wird sein Sohn 1999 CEO und Heinz Han­kam­mer wech­selt in den Auf­sichts­rats­vor­sitz. Aber so rich­tig ab­ge­ben mag er sei­ne alte Rol­le nicht, die Lage im Ge­schäft lie­fert ihm die Grün­de da­für: Die Mar­gen sin­ken deut­lich. Über­dies drückt eine Alt­last des schnel­len Wachs­tums – Bri­ta kann sich zwar über die Markt­füh­rer­schaft freu­en, aber der Preis da­für, 140 Mil­lio­nen D-Mark Bank­schul­den (70 Mio. Euro), hängt ein Fra­ge­zei­chen an die Zu­kunfts­fä­hig­keit der Fir­ma. Va­ter Han­kam­mer wird auf sei­nem Auf­sichts­rats­sitz ner­vös. „Er spür­te, wie auch die Mit­ar­bei­ter un­ru­hig wur­den. Da woll­te er hel­fen, er woll­te be­ra­ten. Das al­les hat es noch schlim­mer ge­macht“, be­schreibt Mar­kus Han­kam­mer sei­ne Lage als frisch ge­kür­ter Nach­fol­ger. Es kommt zum Streit zwi­schen Va­ter und Sohn. Des­sen En­er­gi­en wir­ken bis in das Fa­mi­li­en­le­ben hin­ein.

Da ruft Mar­kus Han­kam­mer dem Va­ter erst mal ein „Stopp!“ zu. Er will sich der Ver­ant­wor­tung nicht ent­zie­hen, son­dern be­son­nen und un­ge­stört das wich­tigs­te The­ma lö­sen: die Schul­den. „Da­nach kön­nen wir über alle an­de­ren Din­ge re­den.“ Dann er­ar­bei­tet er sei­nen Aus­weg aus der Schul­den­fal­le. Es wird hart. Zwei von drei Ge­schäfts­be­rei­chen ver­kauft er. Mit dem Er­lös wer­den die Bank­schul­den ab­ge­tra­gen. Das schafft ei­nen gro­ßen Schritt in Rich­tung Ent­span­nung des Va­ter-Sohn-Ver­hält­nis­ses.

Der Durch­bruch aber ge­lingt erst, als ein wei­te­rer Im­puls von au­ßen kommt. Da ist der Ver­trau­te von Bri­ta und Mar­kus Han­kam­mer, Be­ra­ter, Coach, Men­tor und spä­te­rer Auf­sichts­rat der Fir­ma Bri­ta: Gerd Wal­ger, Un­ter­neh­mer-Ex­per­te und Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Wit­ten/​Her­de­cke. Die gan­ze Tur­bu­lenz­pha­se hin­durch hat er schon dar­an mit­ge­wirkt, die emo­tio­na­le Es­ka­la­ti­on zu dämp­fen. „Bei ei­ner Auf­sichts­rats­sit­zung brach­te Wal­ger den Kno­ten zum Plat­zen“, er­in­nert sich der da­ma­li­ge Ju­ni­or­chef, „er sag­te zu mei­nem Va­ter: ‚Herr Han­kam­mer, Sie müs­sen Ihr Büro in der Fir­ma auf­ge­ben.‘“ Das kommt un­vor­be­rei­tet, ist aber das rich­ti­ge Wort zur rich­ti­gen Zeit. Der Grün­der spürt das auch. Er gibt sei­ne in­for­mel­le Rol­le als Im­mer-noch-ir­gend­wie-Fir­men­chef auf, ver­lässt wie ge­hei­ßen sei­ne alte Wir­kungs­stät­te – und es be­ginnt lang­sam wie­der gut zu wer­den zwi­schen Va­ter und Sohn.

„Ihr Va­ter hat drei­ßig Jah­re im Ge­schäft ge­kämpft, das ist sein Ha­bi­tus.“

Professor Gerd Walger

Als hilf­reich er­weist sich eine zwei­te An­sa­ge von Pro­fes­sor Wal­ger, dies­mal an den Sohn. „Ihr Va­ter hat drei­ßig Jah­re im Ge­schäft ge­kämpft, das ist sein Ha­bi­tus. Hö­ren Sie auf, ihn be­sie­gen zu wol­len. Das schaf­fen Sie nie.“ Das gibt Mar­kus Han­kam­mer zu den­ken. Schritt für Schritt setzt er sein neu­es Cre­do um: „Ich will nicht mehr mit Va­ter strei­ten.“ Das wirkt. „Zwar spra­chen wir wei­ter­hin über die Fir­ma. Aber es gab kei­nen Zoff mehr.“ Die ent­spann­te Si­tua­ti­on im Ge­schäft tut ein Übri­ges – Va­ter und Sohn fin­den nach zwei Jah­ren schwers­ter Zei­ten wie­der zu ei­nem sehr gu­ten Ver­hält­nis zu­rück.

Das be­freit die gan­ze Fa­mi­lie von ei­ner Last. „Wir ha­ben uns wie­der­ge­fun­den und ge­merkt, wie wich­tig uns ein gu­ter Zu­sam­men­halt ist.“ Auch Va­ter Han­kam­mer fin­det zu sei­nem Glück – be­tont im­mer wie­der, wie froh er mit der Ent­wick­lung ist. „Er war zu­frie­den und stolz und zeig­te das auch“, sagt Mar­kus Han­kam­mer.

*Axel Glo­ger ist Wirt­schafts­jour­na­list und schreibt u.a. für den IN­TES Un­ter­neh­mer­Brief.

stilisierte Darstellung eines Fabrikgebäudes

Die Brita GmbH

Die Bri­ta GmbH ist Welt­markt­füh­rer für Was­ser­fil­ter-Tech­no­lo­gie und er­wirt­schaf­tet mit 1.700 Mit­ar­bei­tern ei­nen Um­satz von 490 Mio. Euro. Von der Grün­dung im Jahr 1966 an wirkt Heinz Han­kam­mer (1931–2016) als Ge­schäfts­füh­rer von Bri­ta. 1996 holt er sei­nen Sohn Mar­kus Han­kam­mer (*1968) in die Ge­schäfts­füh­rung, 1999 wird die­ser CEO. Der Se­ni­or wech­selt zeit­gleich in den Auf­sichts­rats­vor­sitz. Mar­kus’ Schwes­ter Bri­ta Han­kam­mer (*1965) sucht nach drei Jah­ren Mit­ar­beit bei Bri­ta ihr Wir­kungs­feld au­ßer­halb des Un­ter­neh­mens. 

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