11.12.2024 - Highlight, Nachfolge, News, Publikationen
Fremdmanager im Familienunternehmen – Chef und Knecht zugleich
Was macht eigentlich ein Familienunternehmen für einen konzernerprobten, erfolgreichen Manager attraktiv? Für Ralph P. Siegl, langjähriger CEO des Schweizer Chocolatiers Läderach, sind es viele Aspekte. Bei Läderach fehlte ein Nachfolger aus der Familie. Senior Jürg Läderach wollte aus der Rolle des operativen Geschäftsführers heraus und in den Vorsitz des Verwaltungsrats wechseln. Das gelang dem Unternehmer … Weiterlesen
Was macht eigentlich ein Familienunternehmen für einen konzernerprobten, erfolgreichen Manager attraktiv? Für Ralph P. Siegl, langjähriger CEO des Schweizer Chocolatiers Läderach, sind es viele Aspekte.
Bei Läderach fehlte ein Nachfolger aus der Familie. Senior Jürg Läderach wollte aus der Rolle des operativen Geschäftsführers heraus und in den Vorsitz des Verwaltungsrats wechseln. Das gelang dem Unternehmer des 1962 gegründeten Familienunternehmens, indem er einen Familienfremden für das Amt an der Firmenspitze gewann: Ralph P. Siegl. Dieser hatte einen erfolgreichen Weg bei einem Food-Multi hinter sich – und stieg vor zwölf Jahren bei der handwerksgeprägten Praliné- und Schokoladenmarke Läderach ein. Im Gespräch mit dem „UnternehmerBrief“ berichtet Siegl, wie er das Geschäft des Schweizer Traditionshauses weiterentwickelte, was er beim Umgang mit der Inhaberfamilie lernte – und welche Fallstricke ein CEO, der von außen kommt, auf jeden Fall beachten sollte. Im Frühjahr 2018 beendete Siegl planmäßig seinen Einsatz, ein Mitglied der Familie Läderach aus der dritten Generation führt seither die Geschäfte.
Herr Siegl, Sie kamen aus einem Großkonzern und stiegen dann um. Ihr neues Wirkungsfeld wurde ein Familienunternehmen, der Umsatz ein Promille so groß wie der des Multis. Worüber haben Sie beim Umstieg gestaunt?
RALPH P. SIEGL: Über die Vielfalt in diesem Kosmos des Chocolatiers Läderach. Das empfand ich gleich beim ersten Blick als ungeheuer spannend und divers. In meinem Vorleben war ich in der Rolle des Korporals. Am neuen Ort wurde ich unternehmerischer Manager. Es gab keine präformatierten Prozesse, keine vorgegebenen Best Practices, keine Horden von Controllern, die einem jeden Tag sagen, wie das Leben zu sein hat. Ich habe das als sehr freiheitlich empfunden, schließlich war das auch genau das, was ich wollte: nicht mehr Stunden und Tage mit Innenpolitik des Konzerns verbringen, sondern mehr Pulverdampf riechen – eben die typische Welt des Eigentümer-Unternehmens mitleben und -gestalten.
„Im Familienunternehmen ist der CEO Chef und Knecht zugleich.“
Läderach war zuvor während zweier Generationen von einem Mitglied der Familie Läderach geführt worden. Wie kam es zur Umstellung des Führungsformats?
Der Unternehmer hat sechs Kinder. Der älteste Sohn, Johannes Läderach, war damals 19 Jahre alt, also definitiv noch zu jung für den Schritt an die Firmenspitze. Deshalb sah sich der Familienunternehmer auf dem externen Markt nach einem CEO um, den er in das Amt so lange einsetzen konnte, bis sich ein Mitglied der dritten Generation für die Verantwortung empfiehlt.
Blicken wir kurz auf Ihren Einstieg: Wie haben Sie es als Konzernmann geschafft, sich auf die Gegebenheiten des Familienunternehmens einzustellen?
Im Rückblick würde ich sagen: Das Wichtigste ist Demut – und zwar auf beiden Seiten. Als Neuankömmling sollte man mit sehr viel Respekt vor den Vorgängern reingehen. Das bedeutet vor allem am Anfang: sehr viel zuhören. Mehr Fragen stellen, als schnelle Antworten geben. Es geht darum, den Sinn und das Warum aufseiten der Eigentümer herauszufinden. Man braucht Antworten auf zwei Schlüsselfragen: „Was sind die Werte der Familie?“ und: „Was treibt die Familie an?“ Das spielt sich alles jenseits von Umsatz- und Renditezielen ab. Natürlich müssen auch im Familienunternehmen am Ende die Zahlen stimmen. Aber man muss als Fremdmanager primär herausfinden, was die nichtökonomischen Ziele der Familie sind.
Wie haben Sie das praktisch umgesetzt?
Wichtig waren die Gespräche in unterschiedlichen Settings. Das ging teilweise am Küchentisch bei der Inhaberfamilie zu Hause, und das war gut so. Familienunternehmen ist mehr als nur die Firma. Der Top-Manager, der von außerhalb kommt, hat immer auch die Aufgabe, sich auf das Tempo einzustellen, das die Familie bereit ist zu gehen.
Dazu noch das: Der Externe hat immer eine wichtige Brückenrolle – er schützt das Unternehmen bei Bedarf vor der Familie und umgekehrt. Erst das erlaubt Fokus. Unternehmen und Marke sind nicht das Gleiche und doch hängt alles zusammen. Das ist manchmal aus dem Blickwinkel der Familie schwer zu verstehen, da hat es ein Externer einfacher.
Nun wurden Sie ja auch geholt, weil Sie reichlich Erfahrung im Konsumgüter-Marketing erworben hatten. Dafür stand Ihre Karriere bei Nestlé.
Ja, mein Auftrag lautete: das Konsumentengeschäft stärken, die Marke „Läderach Chocolatier Suisse“ kreieren und mit Leben füllen, für eine klare Positionierung im oberen Marktsegment sorgen. Das alles haben wir in meiner Wirkungszeit gemeinsam gut hinbekommen. Wir konnten das Geschäft kräftig ausweiten, sicher auch deshalb, weil ich reiche fachliche Erfahrung auf diesem Gebiet einbringen konnte, die ich während meiner Zeit bei Nestlé erworben hatte.
Neue CEOs in Konzernen starten ja gern mit einem Big Bang. Wie sind Sie das angegangen?
Das Problem mit neuen CEOs ist, dass sie oft alles neu erfinden wollen. Im Falle einer Sanierung mag das angezeigt sein, aber bestimmt nicht in einem gut laufenden Familienunternehmen. Dieses hat seine bewährte DNA, hier ist alles schon da, das sollte, nein: das muss man respektieren.
„Wer sich beim Schritt an die Spitze eines Familienunternehmens als Feldherr oder Besserwisser aufstellt, wird scheitern.“
Also ist ein sanfter Übergang der Weg der Wahl?
Auf jeden Fall. Sanft, aber bestimmt. Das dauert, und beide Seiten sollten sich die Zeit geben. Mancher Nachfolger aus der Familie ist in und mit der Firma aufgewachsen. Ich hingegen musste mir die Welt von Läderach erst einmal erschließen und erspüren. Meine Legitimation als Chef hatte ich nach einem Jahr. Dann haben die Mitarbeiter gemerkt: Der bleibt, da ist einer, dem wir vertrauen können, der es ernst nimmt mit dem weiteren Ausbau des Geschäfts. Beide Seiten, Inhaber wie externer CEO, sollten diese langsame Integration und die Eigenheiten der Personen aushalten. Dazu gehören auch gelegentliche Schmerzen des Wandels. Nicht jeder, der in der Linie mit dem alten Chef gearbeitet hat, ist mit dem neuen Chef kompatibel. Dieses Thema solle man zulassen und respektvoll damit umgehen – im Übrigen ist so etwas ganz normal, das ist kein Spezifikum des Familienunternehmens.
Also ist Toleranz eine wichtige Zutat für den Erfolg des Familienfremden an der Spitze?
Auf jeden Fall. Das heißt auch, mit der Polarität der Rolle umgehen zu können. Auf der einen Seite bin ich als CEO verantwortlich für das Geschäft. Auf der anderen Seite bin ich nicht der Eigentümer. Ich bin also, um ein Bild aus der bäuerlichen Welt zu verwenden, Chef und Knecht gleichzeitig. Als familienfremder CEO bist du immer dem Eigentümer verpflichtet – und musst dir gleichzeitig selbst treu bleiben.
„ Im Familienunternehmen hat Eigentum ein Gesicht!“
Aber im Konzern haben Sie sich ja auch dem Eigentümer verpflichtet …
… klar, aber ein Multi gehört meist der Börse, das ist eine Vielzahl von Aktionären. Im Familienunternehmen hingegen hat Eigentum ein Gesicht. Ich stehe einer konkreten Person, einer konkreten Familie gegenüber. Die ist in 30 Jahren immer noch da. Das speist das Denken in Generationen – der erfolgreichen Familie ist nicht nur wichtig, dass es über das Jahr gut läuft, sondern dass das Geschäft über Dekaden beständig ist. Jeder Firmenchef, ganz gleich ob er aus der Familie kommt oder von extern, sollte das zum Leitmotiv seines Tuns zu machen. Die Aufgabe lautet: treuhänderische Verwaltung und Entwicklung des Familienunternehmens im Auftrag der nächsten Generation, die den Laden dereinst erben wird!
Im Frühjahr 2018 haben Sie ein bestelltes Haus an ihren Nachfolger Johannes Läderach übergeben. Neben dem „Mission complete“-Vermerk – wie lautet die persönliche Bilanz Ihres Wirkens an der Spitze der Läderach AG?
Für mich war das ein Downsizing im Beruf, aber persönlich und beruflich ein Upsizing. Im Familienunternehmen fand ich überschaubare Strukturen und ein humanes Format vor, das auf den Menschen statt auf die Funktion achtet – und eine echte Unternehmerrolle, die mich wunderbar ausgefüllt hat. Plötzlich sprichst du persönlich mit Kunden, die seit Jahrzehnten mit den Produkten vertraut sind, mit Mitarbeitern, für die Treue, Expertise und Freude am Gelingen mehr zählen als schnelle Karriere und Job-Rotation. Ich blicke auf zwölf gute und reiche Jahre zurück!
Das Interview führte Axel Gloger für den INTES UnternehmerBrief 03/2018.
RALPH SIEGL
Seine erste Karriere absolvierte Ralph P. Siegl beim Nahrungsmittel-Multi Nestlé, wo er von 1996 bis 2006 in leitenden Funktionen weltweit im Exportgeschäft tätig war. Im Anschluss daran führte er bis März 2018 als erster externer CEO das Familienunternehmen Läderach. Schon während dieser Zeit übernahm er Mandate als Verwaltungs-rat. Heute ist er als Trusted Advisor tätig.
ÜBER DIE LÄDERACH AG
Die Confiseur Läderach AG wurde im Jahr 1962 in Ennenda (Kanton Glarus, Ostschweiz) von Rudolf Läderach gegründet. Der Schokoladen- und Praliné-Spezialist mit 800 Mitarbeitern und geschätzten 100 Mio. Euro Umsatz wird heute in dritter Generation von Johannes Läderach geführt.
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