02.09.2024 - Highlight, Nachfolge, News, Publikationen
Neue Zeiten, neue Werte!
Die neuesten Ergebnisse einer weltweiten PwC-Befragung von Familienunternehmen zeigen, welche zentralen Herausforderung (deutsche) Familienunternehmen klar erkannt haben, welche sie massiv unterschätzen und welche Rolle alte Werte in der neuen Welt spielen. Von Christina Müller* Familienunternehmen drohen die Mitarbeiter auszugehen, vor allem in Deutschland: Für 84 Prozent der deutschen Familienunternehmen (weltweit sind es 60 Prozent) ist der … Weiterlesen
Die neuesten Ergebnisse einer weltweiten PwC-Befragung von Familienunternehmen zeigen, welche zentralen Herausforderung (deutsche) Familienunternehmen klar erkannt haben, welche sie massiv unterschätzen und welche Rolle alte Werte in der neuen Welt spielen.
Von Christina Müller*
Familienunternehmen drohen die Mitarbeiter auszugehen, vor allem in Deutschland: Für 84 Prozent der deutschen Familienunternehmen (weltweit sind es 60 Prozent) ist der zunehmende Fachkräftemangel mittlerweile ein riesiges Problem (vor zwei Jahren galt dies für 70 Prozent von ihnen).
Daher nennen auch 91 Prozent der deutschen Familienunternehmen (weltweit 87 Prozent) die Gewinnung und Bindung der besten Talente als ihr wichtigstes Ziel für die nächsten zwei Jahre. An zweiter Stelle folgt die Steigerung der Innovationskraft (67 Prozent) noch vor der Verbesserung der Profitabilität (65 Prozent), die weltweit 80 Prozent der Familienunternehmen stärken wollen.
Die besten Köpfe werden dringend benötigt, um die Innovationskraft zu stärken.
Die besten Köpfe werden dringend benötigt, um die Innovationskraft zu stärken und die Digitalisierung voranzutreiben. Beides stellt 70 Prozent der deutschen Familienunternehmen vor große Herausforderungen, weit mehr als Familienunternehmen weltweit (66 Prozent bzw. 44 Prozent). Dennoch erwarten 70 Prozent der deutschen Familienunternehmen, dass sie bis 2020 signifikante Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht haben werden, wenngleich nur eine Minderheit (13 Prozent) davon überzeugt ist, in zwei Jahren bereits einen Großteil der Erträge mit neuen Produkten und Dienstleistungen zu erwirtschaften (weltweit 18 Prozent). Und nicht einmal jeder zehnte Familienunternehmer plant, in den nächsten zwei Jahren sein Geschäftsmodell signifikant anzupassen. Der Grund ist schnell gefunden: Nur knapp ein Viertel der deutschen Familienunternehmen (weltweit 30 Prozent) sieht sein Unternehmen durch die Digitalisierung gefährdet, zwei Drittel (weltweit knapp 60 Prozent) fühlen sich nicht von Cyberangriffen bedroht.
Dass nur die wenigsten Familienunternehmer die Frage beantworten können, was die Digitalisierung für ihr Unternehmen bedeutet, passt ins Bild: Deutsche Familienunternehmen unterschätzen die Macht und vor allem auch die Nachhaltigkeit der Digitalisierung.
Ist der ungebrochene Optimismus deutscher Familienunternehmen unbegründet? 90 Prozent erwarten in den nächsten zwei Jahren kontinuierliches Umsatzwachstum und sind so optimistisch wie seit acht Jahren nicht mehr. Hat das kontinuierliche Wachstum der vergangenen Jahre träge gemacht? Wird aus dem Erfolgsmodell Familienunternehmen gar ein Auslaufmodell?
Nicht, wenn Familienunternehmen jetzt ihre Strategie ändern, die Digitalisierung gezielt angehen und sich noch stärker mit ihren Werten im Kampf um die besten Köpfe positionieren. Zumal sie sich in einer zu-nehmend globalisierten, digitalisierten, individualisierten Welt mit vermehrt virtuellen Freundschaften, mit datengetriebenen Entscheidungen sowie mit immer mehr Unsicherheit dank ihrer Werte und Ziele von welt-weit tätigen Konzernen im Kampf um Talente und gegenüber Kunden glaubwürdig abgrenzen können.
Doch noch machen deutsche Familienunternehmen nicht in vollem Umfang von ihrem Wertegerüst Gebrauch. Und das, obwohl drei Viertel der befragten Familienunternehmen über Werte und Ziele für das Unter-nehmen und die Unternehmerfamilie verfügen und 70 Prozent über eine Vision und Mission des Unternehmens.
Zwar bestätigen fast alle deutschen Familienunternehmen (93 Prozent) die positive Wirkung ihrer Ziele und Werte auf die Motivation und Bindung bestehender sowie potenzieller Mitarbeiter und Kunden. Im welt-weiten Vergleich fällt allerdings auf, dass sie einen geringeren wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen (52 Prozent vs. 70 Prozent weltweit). Auffällig ist zudem, dass nur 45 Prozent der deutschen Familienunter-nehmen ihre Werte nutzen, um ihre Bekanntheit im Markt auszubauen (weltweit 70 Prozent) – und sich damit auch im „War for Talents“ besser aufzustellen.
Um von der positiven Kraft ihrer Werte zu profitieren, sollten Familienunternehmen ihren Wertekanon erweitern – oder zumindest neu interpretieren. Denn noch hat sich die durchschlagende Veränderungskraft der „neuen Normalität“ noch nicht in ihrem Werteverständnis niedergeschlagen: Gefragt nach den Werten ihres Familienunternehmens, werden insbesondere Ehrlichkeit, Integrität, Mitarbeiterfokus, Respekt, Langfrist-orientierung und Umweltbewusstsein als zentrale Tugenden genannt.
Wer innovativ sein will und attraktiv für Digital Natives, wer die Digitalisierung vorantreiben und die „digitale Kultur“ nachhaltig im Unternehmen etablieren will, braucht aber Werte wie Mut, Offenheit, Fehlerkultur. Auch Modernität, zeitgemäße Führung, Entwicklungsmöglichkeiten, Flexibilität, Innovationskraft und ein interessantes Produkt- und Serviceportfolio spielen eine zentrale Rolle.
Daher sind Familienunternehmen gut beraten, auf die ursprünglichen Werte ihrer Gründer zurückzugreifen und ihre Einsichten neu zu interpretieren. Schließlich waren es diese radikal neuen Wege und ihre kreati-ven und fesselnden Ideen, die den Grundstein für den heutigen Erfolg gelegt haben.
Familienunternehmen sollten für den bevorstehenden Wandel zudem die NextGen einbeziehen, die mit digitalen Technologien und modernem Werteverständnis groß geworden ist. Sie ist mit den Werten, neuen Ar-beitsweisen („New Work“) und Prioritäten vertraut und versteht besser, wie die Arbeitskräfte der Zukunft, die Generation Z, ticken.
Noch machen deutsche Familienunternehmen aber – weit weniger als weltweit – kaum von dieser Möglichkeit Gebrauch. Wenn Recruiting, Digitalisierung und Innovationen die Schlüsselherausforderungen der Fa-milienunternehmen sind, müssten sie an diesen Stellen viel mehr auf die junge Generation hören und ihr ermöglichen, Missstände zu benennen, Althergebrachtes zu hinterfragen sowie ab und an auch unge-wöhnliche Wege zu gehen.
Familienunternehmen sollten daher erkennen, dass sie Hilfe benötigen; idealerweise kommt sie aus der Familie. Denn so stellen sie die Weichen für ihre wichtigsten langfristigen Ziele: die Sicherung des Unter-nehmens in Familienhand. Mehr dazu steht zum Nachlesen in der deutschen Ausgabe des „Global Family Business Survey 2018“ von PwC und der INTES Akademie für Familienunternehmen, für den weltweit mehr als 2.950 Familienunternehmer aus 53 Ländern, davon 171 in Deutschland, befragt wurden.
* Dr.Christina Müller ist Senior Managerin Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC
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