Neue Zeiten, neue Werte!

Die neuesten Ergebnisse einer weltweiten PwC-Befragung von Familienunternehmen zeigen, welche zentralen Herausforderung (deutsche) Familienunternehmen klar erkannt haben, welche sie massiv unterschätzen und welche Rolle alte Werte in der neuen Welt spielen. Von Chris­ti­na Mül­ler* Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men dro­hen die Mit­ar­bei­ter aus­zu­ge­hen, vor al­lem in Deutsch­land: Für 84 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (welt­weit sind es 60 Pro­zent) ist der … Weiterlesen

Die neuesten Ergebnisse einer weltweiten PwC-Befragung von Familienunternehmen zeigen, welche zentralen Herausforderung (deutsche) Familienunternehmen klar erkannt haben, welche sie massiv unterschätzen und welche Rolle alte Werte in der neuen Welt spielen.

Von Chris­ti­na Mül­ler*

Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men dro­hen die Mit­ar­bei­ter aus­zu­ge­hen, vor al­lem in Deutsch­land: Für 84 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (welt­weit sind es 60 Pro­zent) ist der zu­neh­men­de Fach­kräf­te­man­gel mitt­ler­wei­le ein rie­si­ges Pro­blem (vor zwei Jah­ren galt dies für 70 Pro­zent von ih­nen).

Da­her nen­nen auch 91 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (welt­weit 87 Pro­zent) die Ge­win­nung und Bin­dung der bes­ten Ta­len­te als ihr wich­tigs­tes Ziel für die nächs­ten zwei Jah­re. An zwei­ter Stel­le folgt die Stei­ge­rung der In­no­va­ti­ons­kraft (67 Pro­zent) noch vor der Ver­bes­se­rung der Pro­fi­ta­bi­li­tät (65 Pro­zent), die welt­weit 80 Pro­zent der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men stär­ken wol­len.

Die bes­ten Köp­fe wer­den drin­gend be­nö­tigt, um die In­no­va­ti­ons­kraft zu stär­ken.

Die bes­ten Köp­fe wer­den drin­gend be­nö­tigt, um die In­no­va­ti­ons­kraft zu stär­ken und die Di­gi­ta­li­sie­rung vor­an­zu­trei­ben. Bei­des stellt 70 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen, weit mehr als Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men welt­weit (66 Pro­zent bzw. 44 Pro­zent). Den­noch er­war­ten 70 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men, dass sie bis 2020 si­gni­fi­kan­te Fort­schrit­te bei der Di­gi­ta­li­sie­rung ge­macht ha­ben wer­den, wenn­gleich nur eine Min­der­heit (13 Pro­zent) da­von über­zeugt ist, in zwei Jah­ren be­reits ei­nen Groß­teil der Er­trä­ge mit neu­en Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen zu er­wirt­schaf­ten (welt­weit 18 Pro­zent). Und nicht ein­mal je­der zehn­te Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer plant, in den nächs­ten zwei Jah­ren sein Ge­schäfts­mo­dell si­gni­fi­kant an­zu­pas­sen. Der Grund ist schnell ge­fun­den: Nur knapp ein Vier­tel der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (welt­weit 30 Pro­zent) sieht sein Un­ter­neh­men durch die Di­gi­ta­li­sie­rung ge­fähr­det, zwei Drit­tel (welt­weit knapp 60 Pro­zent) füh­len sich nicht von Cy­ber­an­grif­fen be­droht.

Grafik: Wichtige persönliche und geschäftliche Ziele
Quelle: Global Family Business Survey 2018

Dass nur die we­nigs­ten Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer die Fra­ge be­ant­wor­ten kön­nen, was die Di­gi­ta­li­sie­rung für ihr Un­ter­neh­men be­deu­tet, passt ins Bild: Deut­sche Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men un­ter­schät­zen die Macht und vor al­lem auch die Nach­hal­tig­keit der Di­gi­ta­li­sie­rung.

Ist der un­ge­bro­che­ne Op­ti­mis­mus deut­scher Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men un­be­grün­det? 90 Pro­zent er­war­ten in den nächs­ten zwei Jah­ren kon­ti­nu­ier­li­ches Um­satz­wachs­tum und sind so op­ti­mis­tisch wie seit acht Jah­ren nicht mehr. Hat das kon­ti­nu­ier­li­che Wachs­tum der ver­gan­ge­nen Jah­re trä­ge ge­macht? Wird aus dem Er­folgs­mo­dell Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men gar ein Aus­lauf­mo­dell?

Nicht, wenn Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men jetzt ihre Stra­te­gie än­dern, die Di­gi­ta­li­sie­rung ge­zielt an­ge­hen und sich noch stär­ker mit ih­ren Wer­ten im Kampf um die bes­ten Köp­fe po­si­tio­nie­ren. Zu­mal sie sich in ei­ner zu-neh­mend glo­ba­li­sier­ten, di­gi­ta­li­sier­ten, in­di­vi­dua­li­sier­ten Welt mit ver­mehrt vir­tu­el­len Freund­schaf­ten, mit da­ten­ge­trie­be­nen Ent­schei­dun­gen so­wie mit im­mer mehr Un­si­cher­heit dank ih­rer Wer­te und Zie­le von welt-weit tä­ti­gen Kon­zer­nen im Kampf um Ta­len­te und ge­gen­über Kun­den glaub­wür­dig ab­gren­zen kön­nen.

Doch noch ma­chen deut­sche Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men nicht in vol­lem Um­fang von ih­rem Wer­te­ge­rüst Ge­brauch. Und das, ob­wohl drei Vier­tel der be­frag­ten Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men über Wer­te und Zie­le für das Un­ter-neh­men und die Un­ter­neh­mer­fa­mi­lie ver­fü­gen und 70 Pro­zent über eine Vi­si­on und Mis­si­on des Un­ter­neh­mens.

Grafik: Größte Herausforderungen in den nächsten zwei Jahren
Quelle: Global Family Business Survey 2018

Zwar be­stä­ti­gen fast alle deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (93 Pro­zent) die po­si­ti­ve Wir­kung ih­rer Zie­le und Wer­te auf die Mo­ti­va­ti­on und Bin­dung be­ste­hen­der so­wie po­ten­zi­el­ler Mit­ar­bei­ter und Kun­den. Im welt-wei­ten Ver­gleich fällt al­ler­dings auf, dass sie ei­nen ge­rin­ge­ren wirt­schaft­li­chen Nut­zen dar­aus zie­hen (52 Pro­zent vs. 70 Pro­zent welt­weit). Auf­fäl­lig ist zu­dem, dass nur 45 Pro­zent der deut­schen Fa­mi­li­en­un­ter-neh­men ihre Wer­te nut­zen, um ihre Be­kannt­heit im Markt aus­zu­bau­en (welt­weit 70 Pro­zent) – und sich da­mit auch im „War for Ta­lents“ bes­ser auf­zu­stel­len.

Um von der po­si­ti­ven Kraft ih­rer Wer­te zu pro­fi­tie­ren, soll­ten Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men ih­ren Wer­te­ka­non er­wei­tern – oder zu­min­dest neu in­ter­pre­tie­ren. Denn noch hat sich die durch­schla­gen­de Ver­än­de­rungs­kraft der „neu­en Nor­ma­li­tät“ noch nicht in ih­rem Wer­te­ver­ständ­nis nie­der­ge­schla­gen: Ge­fragt nach den Wer­ten ih­res Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mens, wer­den ins­be­son­de­re Ehr­lich­keit, In­te­gri­tät, Mit­ar­bei­ter­fo­kus, Re­spekt, Lang­frist-ori­en­tie­rung und Um­welt­be­wusst­sein als zen­tra­le Tu­gen­den ge­nannt.

Wer in­no­va­tiv sein will und at­trak­tiv für Di­gi­tal Na­ti­ves, wer die Di­gi­ta­li­sie­rung vor­an­trei­ben und die „di­gi­ta­le Kul­tur“ nach­hal­tig im Un­ter­neh­men eta­blie­ren will, braucht aber Wer­te wie Mut, Of­fen­heit, Feh­ler­kul­tur. Auch Mo­der­ni­tät, zeit­ge­mä­ße Füh­rung, Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten, Fle­xi­bi­li­tät, In­no­va­ti­ons­kraft und ein in­ter­es­san­tes Pro­dukt- und Ser­vice­port­fo­lio spie­len eine zen­tra­le Rol­le.

Da­her sind Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men gut be­ra­ten, auf die ur­sprüng­li­chen Wer­te ih­rer Grün­der zu­rück­zu­grei­fen und ihre Ein­sich­ten neu zu in­ter­pre­tie­ren. Schließ­lich wa­ren es die­se ra­di­kal neu­en Wege und ihre krea­ti-ven und fes­seln­den Ide­en, die den Grund­stein für den heu­ti­gen Er­folg ge­legt ha­ben.

Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men soll­ten für den be­vor­ste­hen­den Wan­del zu­dem die Next­Gen ein­be­zie­hen, die mit di­gi­ta­len Tech­no­lo­gi­en und mo­der­nem Wer­te­ver­ständ­nis groß ge­wor­den ist. Sie ist mit den Wer­ten, neu­en Ar-beits­wei­sen („New Work“) und Prio­ri­tä­ten ver­traut und ver­steht bes­ser, wie die Ar­beits­kräf­te der Zu­kunft, die Ge­ne­ra­ti­on Z, ti­cken.

Noch ma­chen deut­sche Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men aber – weit we­ni­ger als welt­weit – kaum von die­ser Mög­lich­keit Ge­brauch. Wenn Re­cruit­ing, Di­gi­ta­li­sie­rung und In­no­va­tio­nen die Schlüs­sel­her­aus­for­de­run­gen der  Fa-mi­li­en­un­ter­neh­men sind, müss­ten sie an die­sen Stel­len viel mehr auf die jun­ge Ge­ne­ra­ti­on hö­ren und ihr er­mög­li­chen, Miss­stän­de zu be­nen­nen, Alt­her­ge­brach­tes zu hin­ter­fra­gen so­wie ab und an auch unge-wöhn­li­che Wege zu ge­hen.

Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men soll­ten da­her er­ken­nen, dass sie Hil­fe be­nö­ti­gen; idea­ler­wei­se kommt sie aus der Fa­mi­lie. Denn so stel­len sie die Wei­chen für ihre wich­tigs­ten lang­fris­ti­gen Zie­le: die Si­che­rung des Un­ter-neh­mens in Fa­mi­li­en­hand. Mehr dazu steht zum Nach­le­sen in der deut­schen Aus­ga­be des „Glo­bal Fa­mi­ly Busi­ness Sur­vey 2018“ von PwC und der IN­TES Aka­de­mie für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men, für den welt­weit mehr als 2.950 Fa­mi­li­en­un­ter­neh­mer aus 53 Län­dern, da­von 171 in Deutsch­land, be­fragt wur­den.

Dr.Chris­ti­na Mül­ler ist Se­ni­or Ma­na­ge­rin Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men und Mit­tel­stand bei PwC

Weitere Beiträge

02.09.2024 - Highlight, Nachfolge, News, Publikationen

Die Family Business Matters 3/​2024

Die aktuelle Family Business Matters ist jetzt online abrufbar. Download In dieser Ausgabe erhalten Sie viele spannende Information rund um das Thema Nachfolge und so lautet unsere Titelstory auch „Nachfolge – eine Einordnung: Die familieninterne Nachfolge ist Kür, es gibt aber auch andere erfolgreiche Optionen“. Was erwartet Sie sonst noch? NextGen: „Wir führen das Unternehmen so, wie es die aktuelle Zeit erfordert“, Dr.
Mehr erfahren

11.07.2024 - Publikationen

Beiratsstudie

Berater, Kontrolleur und Sparringspartner: Der Beirat hat sich als zentrales Governance-Instrument in Familienunternehmen etabliert. Mittlerweile verfügen 78% der Familienunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 25 Mio.
Mehr erfahren

12.06.2024 - Highlight, Publikationen, Strategie & Unternehmensführung

Die Family Business Matters 2/​2024

Die aktuelle Family Business Matters ist jetzt online abrufbar. UnternehmerBrief war gestern – Neu: Die „Family business matters“ ✨Aktuelle News aus der Welt der Familienunternehmen erhalten Sie jedes Quartal über unser Magazin.
Mehr erfahren