Wir wollen ein Entrepreneur-Denken fördern

„Mir war schon immer sehr wichtig, dass ich nicht  einfach als Tochter ins Unternehmen einsteigen wollte.“ Mareike Boccola Mareike Boccola, Co-Owner der Hausschild Speedmixer GmbH & Co. KG, spricht im Interview mit Silke Fußbahn, Associate Partnerin bei Rochus Mummert, über kulturelle Unterschiede, Nachfolge, Führung und die Vorteile eines Familienunternehmens. Frau Boccola, sind Sie mit dem Gedanken aufgewachsen, dass Sie das … Weiterlesen

„Mir war schon immer sehr wichtig, dass ich nicht  einfach als Tochter ins Unternehmen einsteigen wollte.“

Mareike Boccola

Mareike Boccola, Co-Owner der Hausschild Speedmixer GmbH & Co. KG, spricht im Interview mit Silke Fußbahn, Associate Partnerin bei Rochus Mummert, über kulturelle Unterschiede, Nachfolge, Führung und die Vorteile eines Familienunternehmens.

Frau Boccola, sind Sie mit dem Gedanken aufgewachsen, dass Sie das Unternehmen Hausschild irgendwann übernehmen werden?

MAREIKE BOCCOLA: Mein Vater hat mir in dieser Hinsicht nie Druck gemacht. Meine ältere Schwester ist Ärztin, da kam eine Übernahme nicht infrage. Für mich hatte mein Vater eine Bankausbildung als Erstausbildung mit anschließendem Studium im Kopf. Den Plan habe ich so nicht ganz verfolgt und bin direkt studieren gegangen. Ich habe, ganz klassisch, BWL gewählt. Letztendlich hat sich alles aus Zufällen ergeben. Ich hatte mich nie strategisch darauf ausgerichtet, das Unternehmen von meinem Vater zu übernehmen. Mir war schon immer sehr wichtig, dass ich nicht einfach als Tochter ins Unternehmen einsteigen wollte. „Tochter von“ ist ja zunächst keinerlei Qualifikation. Ich habe viele Jahre im Ausland gelebt, u.a. in China und Abu Dhabi. Von dort aus habe ich dann erstmals begonnen, mehr für unser Familienunternehmen tätig zu werden, z.B. bin ich zu wichtigen Messen geflogen

Sie leiten Ihr Familienunternehmen gemeinsam mit Ihrem Mann. Er ist Ingenieur. Eine gute Fügung?
Es war klar, dass mein Mann in Hamm nicht so schnell einen internationalen Job seiner Karriere und Leistung entsprechend finden würde. Es stand von Beginn an fest, dass wir auf keinen Fall pendeln wollten. Wir kannten es aus China, wie viel Zeitverlust das Pendeln mit sich bringt. Mein Mann interessierte sich schon immer für unser Produkt und je mehr er es aus seiner Perspektive als Ingenieur betrachtete, desto mehr Potenzial hat er erkannt. Am Ende hat es perfekt gepasst, dass wir das Unternehmen gemeinsam führen.

War Ihr Vater die erste Zeit auch noch operativ mit im Unternehmen aktiv?
Ja, das war eine wertvolle und wichtige Zeit. Ich habe früher Ferienjobs hier gemacht und dann war ich erstmal 20 Jahre weg. Wir kannten die ganzen Prozesse gar nicht. Mein Mann hat sich zu Beginn in die Produktion gestellt und erstmal geschraubt. Er wollte bis ins Detail wissen, wie es läuft. So lernte er von der Pike auf, wie die Maschinen funktionieren und wie unsere Produkte hergestellt werden. Danach arbeitete er in der Marktentwicklung und prüfte, an welchen Standorten wir noch nicht stark aufgestellt sind. Heute verkaufen wir in 40 Ländern und haben Partner in 10 Ländern. Ich habe mich parallel der Bereiche Marketing, Kommunikation und Vertriebsunterstützung angenommen. Bis zu dem Zeitpunkt wurde noch nie Marketing gemacht. Es gab also keinerlei Marketingmaterialien.

Haben Sie sich in diesem Zuge auch um die interne Kommunikation gekümmert?
Ja, vieles lief bis dahin auf Zuruf. Und dann sind wir relativ schnell gewachsen. Im ersten Schritt haben wir ein sehr detailliertes Organigramm erstellt. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert, eine grundlegende interne Kommunikation eingeführt. Diese Erfahrung haben wir beide aus dem Großkonzern mitgenommen. Weihnachtsfeiern und Sommerfeste gab es schon immer. Aber so etwas wie institutionalisierte AbteilungsleiterMeetings gab es vorher nicht. Mir ist bewusst, dass interne Kommunikation einen wesentlichen Faktor für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden darstellt. Deshalb versuchen wir, auch viel in diese Richtung zu machen und alle mitzunehmen. Gemeinsam Erfolge feiern und gemeinsam Durststrecken durchleben.

Wie hat Ihr Vater darauf reagiert, dass Themen jetzt eine Rolle spielten, die es vorher über viele Jahre gar nicht brauchte?
Ich war sehr überrascht, wie gut er loslassen konnte. Er hat sehr schnell verstanden, dass er seinen Platz räumen muss, damit er nicht mehr als erster Ansprechpartner gesehen wird. Das ging direkt von ihm aus. Er wollte vermeiden, dass es da irgendwelche Unklarheiten gibt. Mein Vater hatte immer schon gesehen, was mein Mann und ich auf die Beine gestellt haben. Er brauchte sich keine Sorgen machen, insofern hatten wir in dieser Hinsicht nie Konflikte.

Hat Ihr Vater anders geführt, als Sie und Ihr Mann heute führen?
Wenn Sie heute durch die Reihen gehen und die langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen, werden Sie hören, dass mein Vater immer da war. Er ging jeden Tag durch den Betrieb und hörte sich um, wo der Schuh drückte. Das haben wir von ihm übernommen. Für Mitarbeitende da zu sein und jeden Einzelnen wertzuschätzen – diese Kultur hat er eingeführt. In meinen Augen hatte er einen sehr guten Führungsstil. Ob mein Mann und ich vieles anders machen? Ich würde sagen, nein. In jedem Fall fordern wir von unseren Beschäftigten ein Mitdenken und Vorausschauen. Wir wollen ein Entrepreneur-Denken fördern – das bekommen Sie nicht, wenn nur die Person an der Spitze alles allein entscheidet.

Wie gehen Sie den allgegenwärtigen Fachkräftemangel an?
Ich setze mich sehr stark für das Thema ein. Wir haben neue Mitarbeitende lange Zeit immer über Mund-Propaganda bekommen, langsam stoßen wir an unsere Grenzen. Wir brauchen natürlich jetzt und in Zukunft junge, gut ausgebildete Talente. Gleichzeitig gilt es, das enorme Wissen unserer langjährigen Mitarbeitenden gerade in den Bereichen Forschung, Technik und Entwicklung für das Unternehmen zu konservieren. Wenn diese in Rente gehen, überlegen wir schon vorab, wie wir sie, z.B. als Senior Advisor, auch danach noch an das Unternehmen binden können.

Wie vereinen Sie Familienleben und Ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin?
Ich plane meine Geschäftsreisen so, dass meine Eltern einspringen können. Unsere beiden Töchter sind das Wichtigste für uns und haben absolute Priorität. Deswegen mache ich auch viel Homeoffice und bin mittags, wenn es irgendwie geht, immer zu Hause. Das ist der große Vorteil, den man als Frau im Familienunternehmen hat. Man kann den Wert Familie in der Organisation hoch ansiedeln. Mir ist bewusst, dass diese Flexibilität, die mir das Unternehmen als Inhaberin schenkt, sehr besonders ist. Das gibt es woanders in der Form nicht.

Was würden Sie anderen Töchtern raten, die eine Nachfolge im Familienunternehmen antreten?
Von Anfang an klare Verantwortlichkeiten festlegen. Und ich würde immer raten, woanders zu lernen. Für den Distanzprozess ist es so viel wertvoller, wenn man die Möglichkeit hat, die Sporen irgendwo anders zu verdienen. Und als letzten Punkt rate ich, die freie Hand zu erbitten. Mein Vater hat immer gesagt; „Ihr dürft Fehler machen, macht sie halt nur einmal.“

Machen lassen – ist das auch der Tipp, den Sie der Seniorgeneration geben möchten?
Ganz genau. Und darauf vertrauen, dass Fehler immer eine Chance mit sich bringen, sich zu entwickeln und daraus zu lernen.

Kontakt
b.wormuth@intes-akademie.de

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